Eduard Meyer

Geburtsdatum: 28.05.1906 Bernkastel
Sterbedatum: 4. März 1965 in Andernach
Stolperstein: Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 08.09.2016

Stolperstein Eduard Meyer, Trier, Peter-Friedhofen-Str. 7, Verlegt 8.09.2016
Abb. 1 Trier, Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 08.09.2016

Die Identifizierung von Eduard Meyer als Psychiatriepatient basierte auf den im Landeshauptarchiv Koblenz ausgewerteten Krankentransportlisten vom Monat August 1939. An den beiden Tagen vom 15. und 30. August fuhren Autobusse von dem Trierer Krankenhaus der Barmherzigen Brüder zwei Sammeltransporte mit Patienten ihrer Psychiatrieabteilung nach Andernach in die dortige Heil- und Pflegeanstalt. In den jeweils mit mindestens 70 Personen vollbesetzten Autobussen saßen hinter milchverglasten Scheiben außer Eduard Meyer achtzehn weitere Kranke, deren Schicksal durch das bisherige Gedenkprojekt bekannt wurde (Nachnamen wie folgt): Baden, Becker, Besslich, Hemgesberg, Hoffmann, Jakobs, Koch, Koster, Laloire, Maes, Martini, Masselter, Mischo, Müller, Stadtfeld, Valentin und Wetzstein.

Anhand der Patientenakte im Landeshauptarchiv ergaben sich die weiteren Angaben zur Biografie von Eduard Meyer. Er wurde am 28. Mai 1906 in Bernkastel geboren. Seine Eltern waren Cecilia geb. Heiles (13.5.1891 – 24.10.1943) und ihr Ehemann Andreas (6.12.1874 – 17.8.1938). Welchen Beruf Eduard erlernte, ist nicht bekannt. 1928 wurde er erstmals wegen einem nicht näher spezifizierten „Depressions“-Befund stationär therapiert. Dieser erste Aufenthalt in der Heil- und Pflegeanstalt Andernach dauerte vier Wochen vom 17. Juli bis zum 18 Juli 1928. Seine zweite stationäre Einweisung erfolgte im Frühjahr 1934 in der Heil- und Pflegeanstalt des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Trier. Bei der Aufnahme lautete der Krankheitsbefund „Schizophrenie.“

Wie ungezählte weitere, wahrscheinlich annähernd 100 Psychiatriepatienten des Brüderkrankenhauses musste sich Eduard Meyer Zeit seines Aufenthaltes einem Zwangssterilisationsverfahren unterziehen, das mit seiner „Unfruchtbarmachung“ endete. Der Leiter der Psychiatrie-Abteilung, Dr. Jakob Faas, stellte am 28.10.1934 eine diesbezügliche „Erbkrankheitsanzeige“ mit der Diagnose „angeborene Schizophrenie.“ Für die Zwangssterilisation musste er sich für etwa zwei Wochen in dem benachbarten Evangelischen Elisabethkrankenhaus einfinden. Ob er sich dagegen gewehrt hatte oder zuvor Einspruch gegen den Beschluss des Erbgesundheitsgerichts erhoben hatte, ist nicht mehr belegbar. In der Krankenakte fehlten entsprechende Unterlagen einschließlich des Ärztlichen Berichtes über die den gewaltsamen Vollstreckungsakt. Allein das Operationsdatum, der 15. Juli 1935, ist überliefert. Welcher Trierer Arzt den Eingriff durchführte, ist nicht geklärt. Der Anstellungsvertrag des am Elisabethkrankenhaus als Operateur männlicher Sterilsanden einbestellten Chirurgen Dr. Herbert Schulzebeer begann erst am 1. Oktober 1935. Gesichert ist, dass die Zwangsterilisation Eduard Meyer, der die Krankenmorde überlebte (siehe folgend), nach dem Kriege nachträglich persönlich schwer belastete (siehe unten).

Vor seiner Verlegung nach Andernach bemühte sich Eduard Meyer offenbar um seine Entlassung. Anfang August hatte er wohl Aussichten auf Anstellung als Fährmann der Moselfähre in seinem Heimatort Bernkastel. Am 27.Juli 1937 bewarb er sich um die Stelle des Fährmanns in Cues, einem Stadtteil seines Heimatortes, anliegenden Moselfähre. Am 3. August 1939 erhielt er hierzu ein Tauglichkeitszeugnis von dem Medizinalrat Dr. Backmann. Sein Gesuch aber hatte keinen Erfolg. Sein Name war bereits notiert auf den Selektionslisten der Räumungstransporte, von denen der oben genannte ihn am 15. August 1939 nach Andernach „überführt“.

Während seiner fast zweijährigen Unterbringung vor seiner Entlassung am 7. April 1940 erlebte Eduard Meyer in der Zwischenanstalt Andernach über fast zwei Jahre lang die krankmachenden „Pflegeverhältnisse“ der NS-Psychiatrie. Auch wenn er wegen seiner frühzeitige Entlassung ein Jahr später nicht mehr auf die Selektionslisten der Todestransporte nach Hadamar kam, blieben ihm schwerste Leiden nicht erspart: die gezielte Mangelernährung, medizinische Unterversorgung, hygienische Mängel und die zunehmende Überbelegung, in deren Folge nicht wenige seiner Mitpatienten bereits verstarben.

Als Schizophrenie-Kranker war er sogenannten „modernen Heilverfahren“ ausgeliefert, bei denen die Anstaltsärzte die Patienten als Probanden für gewalttätige Testverfahren missbrauchte, insbesondere Elektro- und spezielle medizinische Schocktherapien, wie sie auch in Merzig und anderen Pflegeanstalten ausprobiert wurden (siehe oben Theo de Lasalle von Louisenthal). Laut seiner Krankenakte musste sich Eduard Meyer einer viermonatigen „Azoman-Krampf-Behandlung“ unterziehen. In den vier Monaten vor seiner Entlassung, von Dezember 19339 bis März 1940 erzeugten die Ärzte bei ihm durch Injektionen künstliche Krampfanfälle. Eventuell verschwiegen sie in seiner Patientenakte die frühere Anwendung weitere brutaler Testanwendungen wie die medizinhistorisch in Andernach belegten Insulin- und Cardialzolschock-Behandlungen.

Eduard Meyers Leidenszeit als Überlebender der Eugenik ist auch für die Nachkriegsjahre aktenkundig. Seine Biografie zählt insofern zu den Ausnahmen der bisherigen Darstellungen (vgl. auch Dietz und Wachsmann). Wegen der „Weitergeltung“ des Erbgesundheitsgesetzes (Braun/Herrmann 2015) mussten sich Zwangssterilisierte wie Eduard Meyer, wollten Sie heiraten oder Wiedergutmachungsansprüche stelle, abermals auf ein peinliches Prozedere bei den Behörden einstellen. Am 29.11.1945 stellten Eduard Meyer und Hilde Benzschwafel aus Werden-Völklingen (geb. 21.2.1921) einen Heiratsantrag. Der Antrag wurde bewilligt. Das Standesamt Völklingen beurkundete ihre Eheschließung am 30.11.1945. Um ihren Kinderwunsch realisieren zu können, beantragte Eduard am 10. September 1949 beim Bezirksamt für Wiedergutmachung in Trier die operative Rückgängigmachung seiner „Unfruchtbarmachung“, die sogenannte Refertilisierung. Zu Nachweisung seiner Zwangssterilisation bat er um Aushändigung beweiskräftiger Aktenkopien aus seinem damaligen Erbgesundheitsverfahren. Als Anlage beigelegt hatte er diese fachärztliche Bescheinigung eines Dr. Offermann:

„Edudard Meyer, geb. 28.05.1906 wurde am 15.7.1935 im dortigen Krankenhaus sterilisiert. Da er einen Refertilisierungsantrag gestellt hat, wäre ich für Überlassung des Operationsberichtes zur Beurteilung, ob die Wiederfruchtbarmachung Aussicht auf Erfolg hat, dankbar.“

Das Bezirksamt für Wiedergutmachung beantwortete diese und nachfolgende weitere nicht. Ob die Eheleute in spe in Anbetracht dieser bürokratischen Hürden ihre Heiratsabsichten verwirklichten, ist den Akten nicht zu entnehmen. Sechs Jahre später wandte sich Eduard Meyer mit der gleichen Frage abermals an die Wiedergutmachungsbehörde in Trier. Seine Anfrage vom 13. April 1955 ist in der Sammelakte des ehemaligen Erbgesundheitsgerichts protokolliert. Der Eduard Meyer „gibt an, im Jahre 1936 in Trier sterilisiert worden zu sein“ und bittet um Aktenüberlassung zwecks Bestätigung. Am 21.4.1955 bestätigte ein Amtmann der Behörde den tatsächlichen Operationstermin vom 15.7.1935, ohne aber die gewünschten Kopien der Verfahrensakte mit dem ärztlichen Bericht beizulegen. Möglicherweise waren die Verfahrensakten des Erbgesundheitsgerichtes aus dem Stadtkreis Trier bei dem dortigen Gesundheitsamt weitgehend vernichtet worden (zur Überlieferung vgl. Hocke 2015, S. 3 Anmerkung 10). Eine etwaige Mitwirkung des einstigen und dort weiterhin als leitender Medizinalrat amtierenden Dr. Jakob Faas wäre ebenfalls denkbar, gab es für denselben hinreichende Vertuschungsmotive.

Eduard Meyer starb am 4. März 1965 in Andernach. Sein Tod datierte in jener reaktionären politischen Phase, in der die verantwortlichen Finanzpolitiker die Entschädigungsansprüche der weiterhin um Wiedergutmachung kämpfenden Zwangssterilisationsopfer rein aus ökonomischen Erwägungen gezielt hintertrieben (Biesold 1988, S. 163-170).
 

Quellen

Landeshauptarchiv Koblenz Best. 512,017 Nr. 817-818 Erbgesundheitsgericht Trier Anzeigenregister (1934-1944) Anzeige 1934 Nr. 337 und WGA 1955

Landeshauptarchiv Best. 512,20 Nr. 1 Erbgesundheitssache betr. Eduard Meyer (1939-1954)

Privatarchiv Thomas Schnitzler: Sammlung v. Ärztebiografien aus dem NS-Trier (Stadt/Land)
 

Literatur

Heinz Faulstich: : Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949: mit einer Topografie der NS-Psychiatrie. Freiburg/Breisgau 1998

Günter Haffke: Die Rolle der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Andernach bei der nationalsozialistischen „Euthanasie“. In: Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation (Hrsg.): „….Wir waren samt und sonders gegen die Durchführung der Euthanasie-Aktion. Zur NS-Euthanasie im Rheinland. Münster 2009, S. 87-108

Kathrin Braun u. Svea Luise Herrmann: (Braun/Herrmann 2015): Unrecht zweiter Ordnung. Die Weitergeltung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in der Bundesrepublik Deutschland. In: Sonja Begalke/Claudia Fröhlich/Stephan Alexander Glienke (Hrsg.): Der halbierte Rechtsstaat. Demokratie und Recht in der frühen Bundesrepublik und die Integration von NS-Funktionseliten. 26. November 2015. 1. Auflage. Nomosverlag, S. 223-241

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