Albert Valentin

Geburtsdatum: 24.02.1906 Nunkirchen (Kreis Wadern)
Sterbedatum: 30.04.1940 Andernach
Stolperstein: Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 18. November 2012

Stolperstein Albert Valentin, Trier, Peter-Friedhofen-Straße 7, verlegt 18.11.2012
Abb. 1 Trier, Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 18. November 2012

Die Identifizierung von Albert Valentin als Psychiatriepatient basierte auf einer im Landeshauptarchiv Koblenz ausgewerteten Krankentransportliste des Datums 15. August 1939. An diesem Tag fuhr ein Autobus von dem Trierer Krankenhaus der Barmherzigen Brüder einen Sammeltransport mit Patienten ihrer Psychiatrieabteilung nach Andernach in die dortige Heil- und Pflegeanstalt. In dem mit mindestens 70 Personen vollbesetzten Autobus saßen hinter milchverglasten Scheiben außer Albert Valentin achtzehn weitere Kranke, deren Schicksal durch das bisherige Gedenkprojekt bekannt wurde (Nachnahmen wie folgt): Baden, Becker, Besslich, Hemgesberg, Hoffmann, Jakobs, Koch, Koster, Laloire, Maes, Martini, Masselter, Meyer, Mischo, Müller, Stadtfeld, Wetzstein und Zender.

Anhand der Patientenakte im Landeshauptarchiv ergaben sich die weiteren Angaben zur Biografie. Bei der Auswertung dieser Akte und erstmaligen Darstellung der Krankenbiografie engagierten sich die am Max-Plank Gymnasium Trier seit 2011 engagierte „Stolperstein-Projektklasse“ unter Leitung von Gesche Klein-Menke. Ein in Wadern kontaktierter Angehörige von Albert Valentin, sein Neffe Hugo Valentin, erklärte sich bereit, die Schülerklasse bei der Aufarbeitung der Biografie seines Onkels zu unterstützen. Dazu stellte er ein erhaltenes Privatfoto zur Verfügung.

Albert Valentin wurde am 24. Februar 1906 in Nunkirchen (Kreis Wadern) geboren. Der Name seiner Mutter ist nicht angegeben. Sein Vater war der zum Zeitpunkt der Aktenanlegung (1928) in Nunkirchen lebende Johann Albert Valentin. Eine Schwester Namens Katharina Herkels wohnte in Trier, Krahnenstraße 4. Er war katholischer Konfession. Seine als „Schneiderlehrling“ laut Krankenakte begonnene Ausbildung hatte er laut Erinnerung seines Neffen abgeschlossen. Mit der Diagnose „Schizophrenie“ war er seit dem 12. April 1928 Psychiatriepatient in der Heil- und Pflegeanstalt des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Trier.

Die von dem Kreisarzt Dr. Ewerz am 5. Januar 1931 erstellte Krankheitsdiagnose attestierte bei ihm ein “Schizophrenie. Der 25 Jahre alte Albert Valentin wirkt äußerlich viel jünger, er macht bei der Untersuchung, so schreibt der Arzt, „körperlich für seine Jahre“ einen „zu jugendlichen Eindruck, ist aber im Übrigen gesund.“

Albert Valentin: Personalakte mit Abgangsvermerk „gestorben“, Quelle: Landeshauptarchiv Koblenz Best. 426.006 Nr. 15183
Abb. 2 Albert Valentin: Personalakte mit Abgangsvermerk „gestorben“

5. Januar 1931:  Fachärztlicher Untersuchungsbefund „Schizophrenie“, Quelle: Landeshauptarchiv Koblenz Best. 426.006 Nr. 15183
Abb. 3 5. Januar 1931: Fachärztlicher Untersuchungsbefund „Schizophrenie“

Für die abschließende Einschätzung über die beim Sonderstandesamt Andernach bereits Ende April 1940 beurkundeten Todesfall ist diese frühe Krankheitsdiagnose relevant aus denselben Gründen wie bei dem fast gleichalten Peter Müller. Bei ihm hatte der genannte Kreisarzt im gleichen Jahre 1931 ebenfalls einen guten körperlichen Allgemeinzustand diagnostiziert, woraus sich bei kritischer Sicht bereits Zweifel an seinem angeblich natürlichen Tod in Andernach ergaben.

Während seiner Zeit im Brüderkrankenhaus erlitt Albert Valentin wie ca. 100 andere Psychiatriepatienten bereits die Zwangsmaßnahme seiner „Unfruchtbarmachung.“ Die Erbkrankheitsanzeige stellte am 19. Januar 1935 einmal mehr der Abteilungsleiter und Medizinalrat, Dr. Jakob Faas. In seinem diesbezüglichen Gutachten ergänzte Faas die Schizophrenie-Diagnose um eine kumulative Abwertung der psychophysischen Fähigkeit von Albert Valentin, die er aber jeweils ohne konkrete Nachweisen der Erblichkeit kumulativ aufführte. Unter anderem eine angeblich seit Kindheit auftretende Epilepsie. Das Erbgesundheitsgericht folgte dem Antrag. Die Beschlussfassung vom 13.März lautete:

Der Schneiderlehrling Albert Valentin litt als Kind an der englischen Krankheit….Valentin leidet an Gedanken- und Affektarmut sowie an „Gemütsverödung. Öfters bekommt er einen schweren Erregungszustand. Er leidet an ausgesprochenen starken Sinnestäuschungen.
In Übereinstimmung mit dem Gutachten des Dr. Med. Rates Dr. Faas stellt das Erbgesundheitsgericht fest, dass Valentin an Schizophrenie leidet.
Die Unfruchtbarmachung war gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2, Ziff. 2 des Gesetzes vom 14.7.33 anzuordnen.“

Für die Operation musste sich Valentin im benachbarten Elisabethkrankenhaus einfinden. Bei dem in der Krankenakte nicht erwähnten Operateur handelte es sich nicht um den Vertragsarzt Dr. Herbert Schulzebeer, der erst ab dem 1. Oktober 1935 die Zwangsoperationen an männlichen Sterilisanden durchführte. Da der ärztliche Bericht nicht in der Krankenakte enthalten ist, kann der betreffende Operateur nicht genannt werden. Die Operation datierte in der ersten Juniwoche 1935. Das Krankenhaus berechnete der Pflegeanstalt Trier für die Unterbringung und Operation 34 Reichsmark und 20 Pfennig. Auf dem nicht erhaltenen Ärztlichen Bericht stand wohl die übliche Eintragung „geheilt entlassen“. Davon konnte aber nicht die Rede sein, da die Zwangssterilisation für alle Opfer ein traumatisches Ereignis darstellte.

13. März 1935: Zwangssterilisationsbeschluss beim Erbgesundheitsgericht, Quelle: Landeshauptarchiv Koblenz Best. 426.006 Nr. 15183
Abb. 4 13. März 1935: Zwangssterilisationsbeschluss beim Erbgesundheitsgericht

8.6.1935 Abrechnung der Zwangssterilisation im Ev. Elisabeth-Krankenhaus Trier, Quelle: Landeshauptarchiv Koblenz Best. 426.006 Nr. 15183
Abb. 5 8.6.1935 Abrechnung der Zwangssterilisation im Ev. Elisabethkrankenhaus Trier

Nach seiner Verlegung mit dem erwähnten Sammeltransport nach Andernach lebte Albert Valentin dort nur mehr knapp zwei Jahre. Die qualvollen Verhältnisse dort wurden bei den Biografie-Darstellungen über seine ehemaligen Mitpatienten aus Trier beschrieben. Albert Valentin starb am 30.4.1940. Die seinen Patientenmord verschleiernden Sterbeursachen lauteten in der Todesbescheinigung vom Sonderstandesamt Andernach: Schizophrenie, Endokarditis und Embolie.

Entsprechend der hier an den Biografie-Darstellungen von Friedrich Thierry und Heinrich Wetzstein erläuterten Verfahrensweise täuschte der Anstaltsdirektor den Vater von Albert Valentin, indem in dem Benachrichtigungstelegramm an ihn bereits die angeblichen Vorkehrungen für eine reguläre Bestattung auf dem Anstaltsfriedhof ankündigte.
 

Dokumentation der Krankengeschichte von Albert Valentin anhand seiner Patientenakte (Auszüge)

5.1.1931 Gutachten des Städtischen Kreisarztes (Trier): Bei der Untersuchung ist der Kranke…erschöpft und in Schweiß gebadet, danach verhältnismäßig ruhig. Er ist ziemlich kritiklos und schweift während der Untersuchung ab, spricht mit den anwesenden Stationsärzten über gleichgültige Sachen und lässt sich schließlich damit beruhigen, dass man ihm gleich etwas zu essen gegeben hat. Er gibt zu, dass er sehr erregt gewesen sei, und auch seine Verwandten geschlagen habe, Gründe vermag er nicht zu anzugeben. Ob Sinnestäuschungen und Wahnideen bestehen, ist bei dem erregten Zustand des Kranken nicht festzustellen. Körperlich macht er für seine Jahre (fehlt „einen“) zu jugendlichen Eindruck, ist aber im Übrigen gesund. Pupillen und Kniephänomene sind normal. Valentin leidet an Schizophrenie. Er ist gemeingefährlich und bedarf deshalb der Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt der Barmherzigen Brüder zu Trier.
 
13.März 1935 Zwangssterilisationsbeschluss des Erbgesundheitsgerichts Trier
 
31. Mai bis 8. Juni 1935    Stationärer Aufenthalt im Elisabethkrankenhaus Trier mit Vollstreckung der Zwangssterilisation+
 
15.August 1939 Verlegt nach Andernach
 
30.4.1940, 4 Uhr 15 Sterbedatum laut Sonderstandesamt Andernach mit Todes-Ursache Schizophrenie, Endokarditis und Embolie
 
30.04.1940 8 Uhr 30    Telegramm/Benachrichtigung des Vaters über die Bestattung in Andernach
 

Quellen

Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 426,006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 20753 „Krankentransporte“ Männer A-Z und „Krankentransporte“ Frauen A-Z

Landeshauptarchiv Koblenz Best. 426.006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 15183 Patientenakte Albert Valentin (mit Porträtfoto)

Hugo Valentin (Wadern): Telefonat vom 14.6.2012 und Überlassung eines Porträtfotos seines Onkels zur Ansicht

Literatur

Heinz Faulstich: : Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949: mit einer Topografie der NS-Psychiatrie. Freiburg/Breisgau 1998

Günter Haffke: Die Rolle der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Andernach bei der nationalsozialistischen „Euthanasie“. In: Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation (Hrsg.): „….Wir waren samt und sonders gegen die Durchführung der Euthanasie-Aktion. Zur NS-Euthanasie im Rheinland. Münster 2009, S. 87-108

125 Jahre Rhein-Fachklinik Andernach. Festschrift zum 125-jährigen Gründungsjubiläum 2001

Gesche Klein-Menke: Den Opfern ihre Namen zurückgeben. In: Max-Planck-Gymnasium Trier: Jahrbuch 2012/2013, S. 162-163

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