Anton Martini
Geburtsdatum: 17.7.1866 Enkirch/Kreis Zell;
Sterbedatum: 13.2.1942, Andernach
Stolperstein: Peter-Friedhofen-Straße, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder (Eingangstor). Verlegt 18. März 2013
Abb. 1 Trier, Peter-Friedhofen-Straße 7. Verlegt 18. März 2013
Die Identifizierung von Anton Martini als Psychiatriepatient basierte auf einer im Landeshauptarchiv Koblenz ausgewerteten Krankentransportliste des Datums 15. August 1939. An diesem Tag fuhr ein Autobus von dem Trierer Krankenhaus der Barmherzigen Brüder einen Sammeltransport mit Patienten ihrer Psychiatrieabteilung nach Andernach in die dortige Heil- und Pflegeanstalt. In dem mit mindestens 70 Personen vollbesetzten Autobus saßen hinter milchverglasten Scheiben außer Anton Martini achtzehn weitere Kranke, deren Schicksal durch das bisherige Gedenkprojekt bekannt wurde (Nachnahmen wie folgt): Baden, Becker, Besslich, Hemgesberg, Hoffmann, Jakobs, Koch, Koster, Laloire, Maes, Masselter, Meyer, Mischo, Müller, Stadtfeld, Valentin, Wetzstein und Zender.
Anhand der allerdings schwer lesbaren Krankenakte waren die Geburtsdaten und weitere Angaben zum Elternhaus und Berufsstand ersichtlich. Anton Martini wurde am 17. Juli 1866 in Enkirch an der Mosel geboren. Seine Eltern waren der Eisenbahner Johann Martini und dessen Ehefrau Maria geborene Eisenloh. Anton Martini arbeitete als Stationsmeister bei den Vereinigten Kleinbahnen AG Frankfurt/Main und nach der Verrentung als Gastwirt in Enkirch. Mit seiner Ehefrau Anna Maria, einer geborenen Schuh, hatte er vier Kinder. Namentlich erwähnt ist in der Krankenakte allein die Tochter Josefine Irkas, die zur Zeit der Anstaltsunterbringung bzw. als letzte Angehörige mit ihrem Vater Kontakt hatte. Josefine Irkas wohnte in Daun
Seine Zeit als Psychiatriepatient beginnt mit der Einweisung am 3.4.1938. Zur Aufnahme begleitete Anton Martini ein nicht genannter Sohn. Der erste Krankheitsbefund wurde ihm am 3.11.1938 dort ausgestellt mit der symptombezogenen, aber nicht weiter spezifizierten Diagnose „geistige Störungen.“
Aus der Zeit nach seiner Verlegung nach Andernach ist ein Briefwechsel seiner erwähnten Tochter Josefine überliefert. Demnach nahm sie ihren zeitweise beurlaubten Vater bei sich zu Hause auf. Aus dem Briefwechsel geht hervor, dass sie anstelle ihres erkrankten Vaters seinen Gastwirtschaftsbetrieb weiterführte, und ihm auch die Wäsche und den Haushalt während seines Urlaubs besorgte.
In dem ersten erhaltenen Schreiben vom 3.6.1940 schrieb Sie an den Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Andernach:
„Ich bitte meinen Vater Anton Martini aus Kövenig (Mosel) eine Zeit Urlaub für nach Daun Eifel zu gewähren. Ich besitze ein nettes Eigenheim und übernehme jede Verantwortung während seines Urlaubes.“
In den beiden später datierten Urlaubsgesuchen vom 8. und 27. September 1940 informiert Sie den Anstaltsdirektor über die gute Unterbringungsmöglichkeit in ihrem mit vier Wohnzimmern ausgestatteten Hauses. Das zuletzt am 26.11.1940 verfasste Schreiben schickte Josefine Irkas unmittelbar vor dem Ende des letzten Urlaubs vor ihres Vaters vor dessen Rückkehr nach Andernach:
„Anbei übergebe ich die Anmeldebestätigung für meinen Vater. Ich hätte meinen Vater noch gerne in Daun behalten, leider muss ich aber nach hier in mein Elternhaus, da sonst die Gastwirtschaft geschlossen wird. Sollte etwas fehlen für meinen Vater, Wäsche, Kleider, so teilen Sie es mir bitte mit.“
Die aus der schwer lesbaren Krankenakte nicht ersichtlichen näheren Umstände seines Aufenthaltes in den Heil- und Pflegeanstalten Trier und Andernach werden sich im Wesentlichen nicht von jenen der hier dokumentierten Verfolgungsschicksalen unterschieden haben (siehe Hoffmann, Jakobs, Koch usw., s.o.). Die vom Sonderstandesamt Andernach gefertigte Sterbeurkunde des Anton Martini bescheinigte unter seinem angegebenen Sterbedatum vom 13. Februar 1942, 22 Uhr die vorgefertigten Falschangaben – Hirnarteriosklerose, Allgemeiner körperlicher Abbau, Marasmus – die den faktischen Krankenmord verschleierten.
Dokumentation der Krankengeschichte von Anton Martini anhand seiner Patientenakte (Auszüge)
3.4.1938 | Aufnahme in der Heilanstalt Barmherzige Brüder Trier |
3.11.1938 | Krankheitsdiagnose: „geistige Störungen“ |
16.8.1939 | verlegt nach Andernach |
3.6.1940 bis 26.11.1940 | Befristete Urlaubszeiten bei seiner mit ihm brieflich korrespondierenden Tochter Josefine Irkas in Daun |
13.2.1942 | Sterbeeintrag und nachfolgende Beurkundung beim Sonderstandesamt |
Quellen
Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 426,006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 20753 „Krankentransporte“ Männer A-Z und „Krankentransporte“ Frauen A-Z
Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 426,006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 2023 Patientenakte Anton Martin
Literatur
Heinz Faulstich: : Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949: mit einer Topografie der NS-Psychiatrie. Freiburg/Breisgau 1998
Günter Haffke: Die Rolle der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Andernach bei der nationalsozialistischen „Euthanasie“. In: Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation (Hrsg.): „….Wir waren samt und sonders gegen die Durchführung der Euthanasie-Aktion. Zur NS-Euthanasie im Rheinland. Münster 2009, S. 87-108
125 Jahre Rhein-Fachklinik Andernach. Festschrift zum 125-jährigen Gründungsjubiläum 2001