Friedrich Thierry
Geburtsdatum: 26.10.1907 Trier
Sterbedatum: 26.03.1941 Hadamar
Stolperstein: Seitzstr. 7. Verlegt am 6. April 2011
Friedrich Wilhelm Thierry (1907-1941) – Leben und Sterben eines „erbkranken“ NS-Psychiatrie-Patienten aus Trier
von Thomas Schnitzler
16 Seiten, PDF-Format (Text wie folgt), erschienen im Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 2017
Abb. 1 06.04.2011 Stolpersteinverlegung zum Gedenken an Friedrich Thierry
Abb. 2 Trier, Seitzstr. 7. Verlegt am 6. April 2011
Abb. 3 Porträtfoto Friedrich Thierry. Um 1939 Bedburg-Hau
Über das Krankenmord-Schicksal von Friedrich Thierry forschte im Sommersemester 2006 erstmals eine Arbeitsgruppe des Projektseminars Stolpersteine. Ein halbes Jahr vor der Stolpersteinverlegung 2012 widmete sich am Max-Planck Gymnasium Trier seiner Biografie abermals die von Dr. Johannes Verbeek betreute Projektklasse. Durch Vermittlung des Verfassers (T. Schnitzler) konnten Angehörige kontaktiert werden. Sie begrüßten die Aufarbeitung und befürworteten ausdrücklich das Gedenkvorhaben.
Friedrich Wilhelm Thierry wurde am 26. Oktober 1907 in der Wohnung seiner Eltern in der Brückenstraße 11 geboren. Seine beiden Eltern waren katholisch verheiratet: die Mutter Gertrud, eine geborene Licinus, und der Vater Friedrich, von Beruf Schriftsetzer. Eine Schwester Namens Anna war 1938 verheiratet mit dem Arbeiter Nikolaus Tullius. Mit weiteren Verwandten (Kindern?) wohnten sie in Trier-West, Brentanostr. 2. Nach den Einwohnerbüchern im Stadtarchiv Trier zogen die Eltern Thierrys mehrfach um. Ab 1914 bewohnte sie das Haus Nr. 7 in der Seitzstraße. Dort verbrachte Friedrich seine Schuljahre. Nach der Schule machte er eine Lehre zum Maurer, arbeitete aber in diesem Beruf nur wenige Jahre. Aufgrund eines Unfalls wurde er zunächst arbeitslos. Mit dem ärztlichen Einweisungsbefund „erbliche Schizophrenie“ wurde er dann 1928 im Alter von 21 Jahren, zeitgleich mit Erlangung der Volljährigkeit, für anstaltsbedürftig erklärt.
Seine Eltern waren zwischenzeitlich in das Haus Nr. 4 in der Predigerstraße umgezogen. Schon bald nach seiner Anstaltseinweisung scheinen sie den persönlichen Kontakt bzw. Zugang zu ihrem Sohn verloren zu haben. Friedrich kam zuerst nach Andernach, dann für zwei Jahre in das Brüderkrankenhaus Trier, anschließend fünf Jahre in das Kloster Ebernach, 1936 für weitere fünf Jahre nach Bedburg-Hau, 1940 nach Weilmünster und schließlich im Frühjahr 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar. Aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Maurer war er trotz seiner Größe von nur 1,61 M von kräftiger Statur mit 58 Kg (eigene Angabe 1939, s.u. Dokumentation 1. Juli 1939).
Aufgrund der menschenunwürdigen Zustände in den Heilanstalten, die an anderer Stelle ausführlich beschrieben werden, fühlte sich Friedrich Thierry von Anbeginn nicht wohl. Von Anbeginn seiner Anstaltszeit protokollierten die Pflegeleiter Fluchtversuche: 1929 in Trier eine „unerlaubte Entfernung“ und mehrfache dann in Ebernach: („benutzt jede Gelegenheit, um zu entweichen, so dass er nicht draußen beschäftigt wird, sondern mit Bettenmachen.“ (31.1.1931) 1935 entweicht er eines Morgens von der Gartenarbeit und flieht an der Mosel bis nach Ediger, wo ihn die Polizei aufgreift und wieder zurückbringt (Krankenakte, 10.6.1935).
Die von dem Franziskanerorden in Waldbreitbach im Kloster Ebernach geführte Einrichtung, in der Friedrich mit bis zu „Fürsorgezöglinge“ lebte, wurde in jenen Jahren zu einem heimlichen Hort pädophiler Missbrauchstäter. Von dem Dutzend zur Beaufsichtigung, Krankenpflege und anderweitig eingesetzten Ordensbrüdern waren mindestens ein halbes Dutzend sexuell übergriffige Missbrauchstäter. Ein nach wiederholtem Missbrauch eines Pflegebruders geflohener Mitpatient von Thierry, August Zander, erstattete nach dem Wiederaufgreifen durch die Polizei Anzeige gegen den Täter. Die 1935 von den Nazis gegen die katholische Kirche als zur Propaganda öffentlich Schauprozesse inszenierten Sittlichkeitsprozesse erlebte Thierry als Anstaltspatient möglicherweise, aber auch dann für ihn schlimm genug, aus der Distanz des Beobachters. Durch seine wiederholten Fluchtversuche suchte er sich sicherlich auch dieser Art Gewalterfahrung zu entziehen.
Anscheinend bewahrte er sich trotz seiner Aufmüpfigkeit und wiederholten Affektausbrücken doch eine relativ stabile Verfassung, da er, folgt man den Eintragungen in seiner Krankenakte, keine suizidale Depressionen entwickelte. Solche Zusammenbrüche anderer Jungen musste er aber ebenfalls aus nächster Nähe miterleben. Am 15. Juni 1932 flüchtete der sechs Jahre jüngere Mathias Lemler nach vielfachen Vergewaltigungen durch den Pflegebruder „Linus“. An der Eisenbahnstrecke unterhalb des Klosterberges warf er sich vor einen heranfahrenden Zug.
Aufgrund solcher Erfahrungen gab es für Friedrich Thierry hinreichende Veranlassungen für das in seiner Krankenakte protokollierte widerständige und aufmüpfige Verhalten. Er legte sich an mit dem Pflegepersonal, auch mit dem leitenden Pflegebruder, den er bisweilen groß beschimpfte, und mit denen er sich auch prügelte (16.4.1934, 22.4.1935, 30.5.1935 u. 15.8.1935 Ebernach u. 10.7.1936 Bedburg-Hau). Infolgedessen stand er unter strengster Beobachtung. Mehrfach mussten ihn mehrere Pfleger mit vereinten Kräften überwältigen und zur Ruhigstellung in den Wachsal abführen (u.a. Krankenakte, 3.3.1934 bzw. 10.6. und besonders 5.7.1935).
Von der Schutzlosigkeit katholischer Anständigkeit – Zwangssterilisation auf Vorschlag des Vaters
Mit dieser Art Disziplinierung ihres widerständigen Sohnes, der auch Aufforderungen zu Arbeiten verweigerte, oder dagegen protestierte (5.7.1934, 15.2. und 23.3.1935 Ebernach) waren Thierrys Eltern laut der Krankenakte ganz einverstanden. Am 9. September 1929 schrieb sein Vater Franz dem Anstaltsdirektor einen Brief. Darin charakterisierte er Friedrich als einen wegen seines „verschlossenen, unkameradschaftlichen Benehmens“ schwer erziehbaren Menschen, als „einen Grübler“, aber insgesamt doch eher als einen „ungefährlichen Sonderling“. Die Erbgesundheitsgesetze und Durchführungsbestimmungen akzeptierte Thierrys Vater ebenso als eine absolute Notwendigkeit. Um das Weihnachtsfest mit ihm im Kreise der Familie verbringen zu können, richtete Franz Thierry am 21.12.1934 in einem Brief die Bitte an die Anstaltsleitung, seinen Sohn möglichst bald zwangsoperieren zu lassen (Auszug siehe Dok, 21.12.1934; hierzu auch Krankenakte 16. und 22.12.1934).
Nach den Vorschriften des Erbgesundheitsgesetztes und seiner soeben veröffentlichten Durchführungsbestimmungen wurde erbkranken Heimkindern und erwachsenen Anstaltspatienten Urlaubszeiten nur nach vorheriger Zwangssterilisation bewilligt. Wegen dieser verschärften Durchführungsbestimmung konnte der Vater seinen Sohn nicht mehr einfach so beurlauben lassen wie noch im vergangen Jahre anlässlich der Heilig-Rock Feier in Trier (Siehe Dok. 18.9.1933). In der Begründung seines Schreibens gab Thierys Vater mit der allerdings umständlichen Formulierung zu verstehen, dass er bei seinem Sohn die in dem Gesetz formulierte volkschädliche „Fortpflanzungsgefahr“ für gegeben hielt. Die von ihm (statt „einfacher Sterilisation“) vorgeschlagene (also medizinisch nicht mehr rückgängig machbare) Kastration würde sich seiner „Meinung nach vorteilhaft auf das ganze Nervensystem (aus)wirken“.
Wie bei dem Vater plagten den Ordensoberer des Klosters Ebernach als katholischem Christen keine Gewissensbisse. Er erachtete die Einhaltung des Eugenik-Gesetzes als eine verpflichtende Selbstverständlichkeit. In der Krankenakte vermerkte der Pflegeleiter den zitierten Kastrationsvorschlag des Vaters ausdrücklich (Dokumentation Krankenakte, 16. Dezember und 22. Dezember 1934), wohl weil er als ein extremer Akt vorauseilenden Gehorsams aufgefasst werden konnte. In Thierrys Heimatstadt Trier hatten sich zu jener Zeit besonders viele Familien gegen die Durchführung von Zwangssterilisierungen ausgesprochen.
Ob die Durchführung der von Thierrys vorgeschlagenen Zwangssterilisation seines Sohnes stattfand, ist der Krankenpersonalakte nicht zu entnehmen. Nachdem die Durchführungsbestimmungen Anfang Januar 1935 Rechtsverbindlichkeit erlangten, erging kein weiteres diesbezügliches Schreiben von Thierrys Vater an den Anstaltsleiter in Ebernach. In der Patientenakte fehlen auch Eintragungen über etwaige Anstaltsbesuche der Eltern Thierrys. Ab 1938 steht seine Mutter in den Einwohnerbüchern Trier als als „Witwe“ ohne ihren zwischenzeitlich (1936-37) verstorbenen Ehemann. Denkbar wäre demnach, dass Friedrichs Vater infolge zunehmender Kränklichkeit oder seines bereits nahenden Todes sein frühere Kastrationsplädoyer nicht mehr weiterverfolgte. Aus Sicht der Anstaltsleiter, insbesondere des Oberen in Ebernach, fehlte daher der unmittelbare gesetzliche Handlungsanlass gegen den für dauerhaft anstaltsbedürftig erklärten Patienten. In Anbetracht der protokollierten Fluchtversuche hätte er bei Friedrich Thierry dennoch zwingenden Handlungsbedarf erkennen müssen. Bei einer etwaigen Erbkrankheitsanzeige beim zuständigen Gesundheitsamt Cochem wäre das Verfahren bei dem Erbgesundheitsgericht Koblenz gelandet. Dort ist aber ein Zwangssterilisationsverfahren gegen Thierry nicht geführt worden.
Als volljähriger, nicht entmündigter Anstaltspatient hätte Friedrich Thierry im etwaigen Anzeigenfalle würde er sicherlich entschieden Widerspruch erhoben haben. Eine Annahme, die anhand seiner Patientenakte hier ebenso nicht belegt werden kann wie eine illegal durchgeführte Zwangssterilisation, von der in der Forschung auch Vorfälle, aber geringer Anzahl belegt sind.
„Mir scheint dass ich der äußeren Welt hier in diesem Zuchthauspallast gar nicht im Wege bin.“ – Zwei Briefe aus Bedburg-Hau vom Sommer 1939
Der also ohne jeglichen elterlichen Schutzes den brutal-lebensbedrohlichen Abläufen der NS-Psychiatrie ausgelieferte Friedrich Thierry entwickelte die bei Schizophrenie-Patienten heute erforschte Symptomatik: Halluzinationen, Denkzerfahrenheit, Wahnwahrnehmungen als „Derealisation“ mit/oder eingebildeten „Beziehungsideen“, Affektstörungen und „katatone Symptome“ wie eine „Verhaltensstereotypie“. „Bewegungsstereotypie“, Übererregungen, Antriebslosigkeit, „Negativismen“ und „Manierismen.“
In seinen beiden dokumentierten Briefen Friedrich Thierrys vom 16. Mai 1939 und vom 1. Juli 1939 erscheinen an ihm bestimmte Symptome evident manifestiert: die dissoziative Identitätsstörung, also das Aufspalten der realen Bezugsverhältnisse.
Abb. 4 1. Juli 1939: Bedburg-Hau: Brief von Friedrich Thierry an seine Schwester Anna
Abb. 5 16. August 1939: Bedburg-Haus: Brief von Friedrich Thierry „an die Holländische Polizeiverwaltung“
Dass Thierry als Schizophrener überhaupt in der Lage war, sich in dieser schriftlichen Form in zusammenhängenden, teilweise auch gedanklich geordneten Satzabfolgen zu artikulieren, hat der Pflegeleiter in seiner Krankenakte besonders hervorgehoben: Einmal am 18. Dezember 1935: „Schreibt formal und inhaltlich richtigen Brief an seine Angehörigen.“ Ein zweites Mal am 3. Januar 1936; „Schreibt inhaltlich und gedanklich geordnet.“ Eine generell verminderte „Wahrnehmungs- und Steuerungsfähigkeit“7 ist bei Friedrich Thierry also nicht anzunehmen, auch bezüglich dieser autobiografischen Briefdokumente. Als möglicher Hinweis auf zumindest temporäre Phasen erhöhter Zurechnungsfähigkeit mag dieser Eintrag vom 21.August 1936 gelesen werden. An diesem Tag kam Friedrich Thierry mit einem Sammeltransport von der ihm verhassten Anstalt Ebernach nach Bedburg-Hau. Vielleicht freute er sich bei der Ankunft auf eine für ihn glücklichere Lebensphase: „Patient kommt in Sammeltransport von Ebernach. Artig. Sei in geisteskrankem Zustand aus den Tasten gesprungen. Jetzt sei er gesund“.
Die in den folgend zitierten Briefpassagen Thierrys evidente „dissoziativen Identitätsstörung“ resultierte aus einer prozessualen Bewusstseinsabspaltung. Bei diesem Prozess entwickeln psychisch erkrankte Menschen eine Bewältigungsstrategie ihrer traumatischen Gewalterfahrungen, indem sie diese „strukturell dissoziieren“, also gewissermaßen abladen auf mehrere bzw. eine Vielzahl sogenannter Unter- oder „Teil-Identitäten.“ Eine solche dissoziative, also unterbewusste Abspaltungs-Strategie scheint Friedrich Thierry beim Schreiben jener Briefpassagen verfolgt zu haben, in denen er sich– in kompletter Umkehrung der bestehenden Ordnungshierarchie – bezeichnete als „göttlicher Beamter“, als „Göttlicher Polizeibeamter“ und schließlich als „Großfürst Fritz von Thierry in Gottes Gnaden“, letzten „Titel“ mit geradliniger Unterstreichung.
Ein inhaltlich analoges Abspaltungsmuster verlautet in den Briefpassagen über seinen angeblichen Reichtum. In diesen schreibt er von den angeblichen Millionen-Werten der von ihm besessenen oder gefundenen Edelsteine (Diamanten u.a.). Er beziffert hier die angeblichen Millionen-Werte seines Edelsteinbesitzes (Diamanten u.a.) nicht mit exakten Zahlenangaben. Geradezu verschwenderisch verteilt er diese Geschenke nicht nur in seiner Familie, sondern an bekannte Personen des öffentlichen Lebens, unter anderem an die historisch verbürgte Königin der Niederlande. Aber nicht allein, weil die Königin als „Wilhelmina“ die weibliche Form seines Vornamens trug, sondern aus einem anderen Grund bezeugt diese Bezugnahme auf diese bekannte Staatsherrin von einer gewissen Stringenz in dem schizophrenen-Gedankengebäude des Anstaltspatienten Friedrich Thierry: Das Konterfei der genannten Königin zierte die Bildseite der im Zahlungsverkehr des Nachbarlandes gebräuchlichen Münzen, von denen Gold- und Silberprägungen in gestaffelten Werten in Umlauf waren, u.a. 10 Gulden (Gold).
An einer anderen Briefstelle bringt Thierry in diesen drei Sätzen seine unbewusste Bewältigungsstrategie sozusagen auf dem Punkt: „Mir scheint dass ich der äußeren Welt hier in diesem Zuchthauspallast gar nicht im Wege bin.“
Eine bei ihm zeitweise oder über längere Zeiten seiner Anstaltsunterbringung bestehende Zurechnungsfähigkeit ist indessen in weiteren Passagen seiner beiden Briefe ersichtlich. In dem Brief an seine Schwester bilanziert er in drei gedankenklaren Sätzen seine Selbstwahrnehmung als diskriminierter, entrechteter und lebensbedrohter Gefangener eines Unrechtregimes:
„An das im Freien arbeite denke ich noch gar nicht…und an eine Beurlaubung glaube ich noch gar nicht. Denn ich kämpfe jetzt schon zehn Jahre lang um eine Beurlaubung, frecher und unverschämter Art. Sondern muss ich mit meinem Blute und mit meinem Leben kämpfen, um mich aus einer unrechten Staatsgefangenschaft zu befreien, oder dass ich von rechtlicher Seite aus befreit werden.“
Weitere ebenfalls gedanklich klar geordnete Briefstellen können hier als stimmige Selbstzeugnisse seiner Realerfahrungen gelesen werden. In wiederholten Beschwerden oder Forderungen bezüglich des Rauchens spiegelt sich seine Gewohnheiten (bzw. Nikotin-Sucht) als Raucher wieder. Über zu geringe Tabak-Rationen beschwerte er sich bei der Anstaltsleitung und droht bei Nichterfüllung seine Wünsche mit Sanktionen und darüber hinaus, so ist sein abschließender Satz zu verstehen, mit einer mittels öffentlichen Protesten erwirkten Skandalisierung.
„Ich habe solange ich in dieser Anstalt bin mir immer Tabakbeschrerden gemacht. Wenn ich bis morgen keinen Tabak bis kurz vor Drei 3 bekommen habe, werde ich den Millioerten Stein über den Gartenzaun werfen“
Ich bitte Sie mit Tellegraphiesch dem Herr Derektor zu Tellegraphierer mir hundert 100 gramm bis spetestens morgen nachmittag Sontag zu überweisen. Damit ich bis zur neksten Tabaksausgabe auskomme? Den 12.5. dieses Monats. Das ½ pfund Tabak das ich ein paar Tage vor dem ersten 1 bekomme habe wird mir heute ausgehen. Ich habe solange ich in dieser Anstalt bin mir immer Tabakbeschrerden gemacht. Wenn ich bis morgen keinen Tabak bis kurz vor Drei 3 bekommen habe, werde ich den Millioenerten Stein über den Gartenzaun werfen. Weil ich den Stein ja nicht nötich habe“
Weilmünster – Hadamar: tödliche Abschiebestationen
Ein weiterer Krankenverlege-Transport brachte Thierry mit weiteren Patienten aus Bedburg-Hau am 8. März 1940 nach Weilmünster (Landkreis Traunuskreis) zur weiteren Anstaltsunterbringung. In dem nun fest organisierten Euthanasieprogramm fungierte die Einrichtung in „Weilmünster“ als „Zwischenanstalt der Tötungsanstalt Hadamar“. Der zitierte Forscher beziffert die Transportgröße dieses Verlegungstermins mit insgesamt 61 Patienten. Unter ihnen waren viele Friedrich bekannte Patienten, die wie er bereits mehrere Jahre in Bed-Burg Hau untergebracht waren. Von dem Männern desselben Transportes kamen die allermeisten (86,9 %) um in der Tötungsanstalt („Gasmordanstalt“) Hadamar. Bei der Nominierung jener fünf finalen Verlegungstransporte, die exakt datiert sind zwischen dem 23. Februar und dem 23. Mai, war Friedrich Thierry laut seiner Krankenakte für den mit Abgangsdatum 13. März 1941 nominiert worden. Der in seiner Patientenakte ersichtliche Eintrag „verlegt in eine andere Anstalt“ war im internen Verwaltungsablauf der Aktion T 4 der einschlägige Verschleierungsbegriff des Gasmordes. Thierry und alle anderen Insassen des Transportes wurden also gleich nach ihrer Ankunft ermordet. Friedrich Thierry starb im Alter von 33 Jahren.
Die angebliche Urnenbestattung auf dem Hauptfriedhof Trier – finaler Akt des verschleierten Massenmordes
Bei dem Verschleiern des Krankenmordes kooperierten die Verwaltungsbehörden auch bei der Regulierung der Bestattungsformalitäten. Hierüber verständigten sich am 3.4.1940 auf dem Deutschen Städtetages 200 Gemeindevertreter in einer nichtöffentlichen Sitzung. Auf dieser referierte der Euthanasie-Experte Viktor Brack (1904-1948).11 Erhalten ist die geheime Mitschrift des Bremische Senators Erich Vagts (1899-1986). Die folgend zitierte Passage enthält die verwaltungsbürokratischen Vorgaben für eine möglichste reibungslose Abwicklung des erhöhten Bestattungsaufkommens auf den Gemeindefriedhöfen. Der ursächliche Krankenmord wird abermals mit einem Tarnbegriff – hier erhöhte „Sterblichkeit“ – verschleiert:
„Aufzeichnung über die Sitzung des Deutschen Gemeindetags vom 3. April 1940 morgens Geheim!……Es seien z. Zt., etwa 300 000 Geisteskranke in etwa 600 Heil- und Pflegeanstalten untergebracht. Diese Anstalten würden dringend gebraucht zu anderen Zwecken: Reservelazarett, Luftschutz u.a.m. 30 bis 40% der Insassen seien asoziale oder lebensunwerte Elemente, infolgedessen werde die Umlegung dieser Elemente in primitive Unterkünfte durchgeführt werden, wodurch einige Unruhe in der Bevölkerung entstehen könnte. In diesen primitiven Unterkünften werde die Sterblichkeit natürlich erheblich größer sein, wodurch einige Unruhe in der Bevölkerung entstehen könne.-.Erbitte zweierlei.
a. Die Bevölkerung zu beruhigen.
b. auf den Friedhöfen nicht allzu viele neuen Gräber anzulegen und deshalb Einäscherungen vorzunehmen…..Es sei damit zu rechnen, dass die Angehörigen der Verstorbene sich gegen solche Einäscherungen wehren würden (vornehmlich, soweit katholisch) oder mindestens bitten würden, die Durchführung an einem fremden Orte vorzunehmen. Im Regefalle sei folgendermaßen zu verfahren: Mitteilung an die Angehörigen über Sterbefall und dabei Äußerung ersuchen, ob Zusendung der Urne erwünscht wird, widrigenfalls sonst Beisetzung auf dem nächstgelegenen Urnenfriedhof erfolgen würde (und zwar kostenlos). Es würden also demnächst Städte mit Urnenfriedhöfen von irgendwoher Urnen zugesandt erhalten: die Städte werden gebeten, an den Beigeordneten Dr. Schlüter im Deutschen Gemeindetag persönlich mitzuteilen, wie die Urnen adressiert werden sollen (Regelfall. Oberbürgermeister /Friedhofsverwaltung in…..), Wo dazu ernannte oder Beamte der Friedhofsverwaltung diesen Dingen gegenüber etwa eine ablehnende Haltung hätten, müssten sie unbedingt umgangen werden. Die Verbrennung werde bezahlt werden; allgemein möglichst vermeiden, dass unnötige Rechnungen herumschwimmen. In jedem Falle werde sich die „Gemeinnützige Krankentransport GmbH“ vor Zusendung von Urnen mit der betreffenden Stadt in Verbindung setzen. Die ganze Aktion müsste unbedingt mit äußerster Vorsicht durchgeführt werden, sonst wohlmöglich Gefahr, dass die USA dies zum Anlass für Kriegseintritt nehmen würden.- Reichsleiter Piehler ermannte abschließend zu größte Geheimhaltung. 3.4. 1940. Vagts“.12
Inwieweit die katholischen Pfarr- und Standesämter der katholischen Stadt/Region Trier kooperierten, wurde in der Regionalhistorie noch nicht hinterfragt. Die Möglichkeit einer solchen Kooperation ist allerdings nicht auszuschließen. Auf dem Friedhof der katholischen Pfarrei von Waldniel-Hostert bestattete der Pfarrer die Leichen der in der Kindereuthanasie-Anstatt Waldniel in wiederverwendbaren Klappsärgen. In dem erhaltenen Totenbuch der Pfarrei St. Michael wurden diese Sterbefälle offensichtlich durch Streichungen und Herausreißen von insgesamt 25 Blättern verschleiert, „um Nachforschungen zu erschweren.“13
Bei der Bestattungsangelegenheit des Friedrich Thierry auf dem Hauptfriedhof Trier verfuhren die zivilen Behörden nach den Vorschriften des zitierten Experten der Aktion T 4. Hiervon zeugt die dokumentierte Korrespondenz vom April 1941. Darin erhält Frau Anna Tullius, die genannte Schwester des Ermordeten, vom Friedhofsamt der Stadt Trier einen Bewilligungsbescheid ihres angeblichen Antrages auf eine Urnenbestattung „ihres Bruders…auf dem hiesigen Friedhof“ (10.4.1941). Die angegebene Anschrift „Brentanostraße 2“ in Trier-West stimmt überein mit ihre Adresse, unter der sie 1939 den zitierten Brief ihres Bruders aus der Anstalt in Bedburg-Hau erhalten hatte. Neun Tage später datiert ein weiterer Amtsbescheid, ausgestellt (19.4.1941) von der Polizeibehörde in Hadamar „an die Verwaltung des Friedhofs Trier.“ Nach dem Wortlaut des abgebildeten Schreibens erhielt die Friedhofsbehörde Trier mit der Anlage eine Urne mit der Asche des in Hadamar angeblich „verstorbenen“ Friedrich Thierry. Angeblich hätte dessen Schwester diese Zusendung gewünscht; Auszug der diesbezüglichen Passage:
„Betr. Beisetzung der Urne mit der Asche des Friedrich Wilhelm Thierry….Anlage 1 Urne….Anliegend lassen wir Ihnen die Urne mit der Asche der Obengenannten zugehen. Die Übermittlung erfolgt auf Wunsch von Frau Anna Tullius, Brentanostr. 2, mit welcher sie sich wegen der Beisetzung nötigenfalls in Verbindung setzen wollen.“
Nach dem Eingangsvermerk vom 26.4.1941 (mit Behördenstempel) erfolgte eine angebliche am 28.4.1941 datierte Mitteilung der Trierer Behörde an Thierrys Schwester:
„Von der Friedhofsverwaltung in Hadamar-Mönchberg wurde die Aschenurne des am 26.3.1941 in Hadamar verstorbenen Friedrich-Wilhelm Thierrry der hiesigen Friedhofsverwaltung übersandt.
Zwecks Erledigung der Beisetzungsfeier bitte ich um Ihre Vorsprache bei der Bauverwaltung Zimmer 54, Eingang auf der Lorenz-Kellnerstraße
i.A.“
Abb. 6 April (10.,19., 26.)/Mai (9.) 1941 Korrespondenz wegen „Beisetzung der Aschenurne“
Die angebliche Korrespondenz mit Anna Tullius hat tatsächlich nicht stattgefunden. Wie in der Bestattungsangelegenheit des Heinrich Wetzstein (siehe unten) wissen die Angehörigen von Friedrich Thierry nichts über eine angebliche Bestattung des ermordeten Thierry. Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der zitierten Behördenschrift ergeben sich bereits aus der fehlerhaften Datierung des Sterbedatums durch die Polizeibehörde in Hadamar. Der als Todesdatum angegebene 26. März 1941 war nicht der Sterbetag. In der Krankenakte Thierrys ist das Datum seines Transportes nach Hadamar am 13. März 1941 notiert. Da die Krankentransport-Daten laut der referierten Forschung identisch sind mit den Gasmorden gleichen Tages in Hadamar, und am 26. März 1941 ein späterer Krankentransport (ohne Thierry) belegt ist, handelt es sich bei dem in dem Briefdokument vermerkten Todesdatum definitiv um eine Falschangabe.
Autobiografische Dokumente von Friedrich Thierry
21.12.1934 | Trier: Vater Friedrich an den Anstaltsdirektor in Eberbnach: Aus der Zuschrift des leitenden Direktor ersehe ich dass eine Beurlaubung meine Sohnes wegen der noch nicht durchgeführten Unfruchtbarmachung zu Zeit unmöglich ist. Ich gestatte mir daher die Bitte, dieses Hindernis baldmöglichst beseitigen zu wollen. Es kann mir als Laie nicht einfallen, ärztlicher Anordnung vorzugreifen, doch glaube ich mir gestatten zu dürfen, die Meinung auszusprechen, dass für meinen Sohn eine wirkliche Entmannung dienlicher wäre, als einfache Sterilisation. Ersteres könnte doch….meiner Meinung nach vorteilhaft auf das ganze Nervensystem wirken….“F. H. Thierry“ |
16.05.1939 | Bedburg-Hau (Siehe Abbildung, Transkription im Wortlaut der Original-Vorlage): „Bettburg 16.5.39. Polizeiverwaltung in Holland. Mache Ihnen die Mitteilung, dass ich auf Antwort nach dem letzten Brief gewartet habe. Den Diamanttein der ich auf seinen Wert angab, habe ich mich schwer vereschnet. Der Diamant hat einen Wert von einer Million. 1 000 000. Der Menschliche Diamant ist nicht so gekommen wie ich Klaubte sondern ist überall ausgeschlagen. Die weitere Behandlung des in der Rede gestellten, muss er in eine volle Badewanne gelegt werden. Mir scheint dass ich der äusseren Welt hier in diesem Zuchthauspallast gar nicht im wege bin. Ich bitte Sie mit Tellegraphiesch dem Herr Derektor zu Tellegraphierer mir hundert 100 gramm bis spetestens morgen nachmittag Sontag zu überweisen. Damit ich bis zur neksten Tabaksausgabe auskomme? Den 12.5. dieses Monats. Das ½ pfund Tabak das ich ein paar Tage vor dem ersten 1 bekomme habe wird mir heute ausgehen. Ich habe solange ich in dieser Anstalt bin mir immer Tabakbeschrerden gemacht. Wenn ich bis morgen keinen Tabak bis kurz vor Drei 3 bekommen habe, werde ich den Millionerten Stein über den Gartenzaun werfen. Weil ich den Stein ja nicht nötich habe. Um mir als, wir im DBett lagen mir Steine die im Wert waren im zehn Millionen Mark mir wegzunehmen, da ist man angaloppiert (1 Wort?), und für einem. Die Jungen ins Gesicht zu springen 1 von den Pflegerh mit Hülfe von den sogenanten Patienten, da kann man auf das allermöglichste und schnelleste rechnen. Ich werde jetzt als g. Göttlicher Beamter schliesen. Hochachtungsvoll Fritz Thierry |
1.7.1939 | Friedrich Thierry an Familie Nikolaus Tullius u. Schwester Anna T. (Siehe Abbildung, Transkription im Wortlaut der Original-Vorlage): Liebe Schwester Anna. Deinen Brief habe ich erhalten. Derselbe hat mir aber nicht gefallen. Die Scheibe die Du mir schon zum wiederholten Male vorgehalten hasst, wo ich mein Lebensrettungsversuche hast du brieflich nochmals mir vorgehalten. Den Rettungsversuch, den ich gemacht habe,. An das im Freien arbeite denke ich noch gar nicht…und an eine Beurlaubung glaube ich noch gar nicht. Denn ich kämpfe jetzt schon zehn Jahre lang um eine Beurlaubung, frecher und unverschämter Art. Sondern muss ich mit meinem Blute und mit meinem Leben kämpfen, um mich aus einer unrechten Staatsgefangenschaft zu befreien, oder dass ich von rechtlicher Seite aus befreit werden. Das mir gesendete Geld in 5 Mark kommt mir sehr gut wie Du weiß. Teile Dir auch mit dass ich göttlicher Polizeibeamter bin. Ich glaube, dass jetzt mein Arbeiten soweit zu Ende sein wird. Dann werde ich von politischen Behörden entlassen werden. Ich glaube es doch. Was ich Dir mit meinem Gewicht mitteilen wollte, hat sich bei mir anders erklärt. Es beträgt von 58 ½ noch 58 Kilo. Hoffentlich geht es Dir, Nikla und Heinzchen und allen Verwandten und Angehörigen Bertha Angela und so weiter noch sozusagen gut. Das wichtigste habe ich Dir noch nicht mitgeteilt. Ich habe einen Diamant für Heini im Werte von einer halben Million gefunden. Für Dich habe ich einen Brilliantenstein im Werte von einer ganzen Million gefunden. Ich bin wieder seitdem Du bei mir warst zu manch wertvollen Sachen gekommen. So habe ich einen Kavinkelstein derselbe heilige Stein hat nach meiner Berechnung einen Wert von über eine Million. Diesen möchte ich der Königin Wihelmine von Holland14 zum Geschenke machen. Großfürst Fritz von Thierry in Gottes Gnaden. (sic unterstrichen mit 5 Kreuzzeichen, s. Abbildung) |
Dokumentation der Krankengeschichte von Friedrich Thierry anhand seiner Patientenakte
Zeiten in Psychiatrie-Anstalten
1928 | Andernach |
1929 | Trier |
1930-1935 | Ebernach |
1936 | Bedburg-Hau |
1940 | Weilmmünster |
1941 | Hadamar: ermordet 26. März |
Krankenakte (Auszüge)
23.1.1931: | benutzt jede Gelegenheit, um zu entweichen, so dass er nicht draußen beschäftigt wird, sondern mit Bettenmachen. |
27.2.1931 | Neigt zum Entweichen. |
20.6.1933: | hilft seit Tagen bei Erdbewegungen an der Talsperre (auch 3.5.1934) |
18.9.1933 | War nach Trier zu seinen Eltern beurlaubt, um den heiligen Rock zu verehren.. |
3.3.1934 | Brüllt den Referenten an“….“….“Er gehe zur Polizei, wenn er ihn nicht entlasse, er werde ihm etwas anderes tun. „Ich lasse mich nicht betrügen, ich bin 27 Jahre alt, ich werde jetzt fünf Jahre unschuldig in Ebernach gehalten. Sie sind ein Arschloch, ich will meine staatliche Entlassung, Sie sind ein Dummopf!“ da er drohend wird und immer weiter brüllt auf den Wachsaal.“ |
16.4.1934 | Geriet beim Kaffeetrinken in Streit mit Pflegling Wollsiefer, war sehr erregt und schlug dem Wollsiefer ins Gesicht. |
03.5.1934 | Ruhiger geworden. Hilft bei Arbeiten in der Talsperre |
5.7.1934 | Will sich den Arbeitsanordnungen nicht fügen |
15.2.1935 | Hilft fleißig in der Tatsperre, ist jedoch sehr rechthaberisch, unverträglich und streitsüchtig |
16.12.1934 | Ein Ersuchen des Vaters des Th. um Beurlaubung seines Sohnes wird dahin beantwortet, dass nach dem Gesetz vom 14.7.1933 eine Beurlaubung nicht möglich sei, bis die Sterilisierung durchgeführt sei. |
22.12.1934 | Heute ging ein Schreiben des Vaters des Th. ein, in welchem dieser die Ansicht ausspricht, dass eher als eine Sterilisierung eine „radikale Entmannung“ für seinen Sohn dienlicher wäre, da eine solche für das ganzes Nervensystem seines Sohnes nur vorteilhaft sein könnte. |
23.3.1935 | Seit gestern sehr erregt, schimpfte und schrie laut, verweigerte die Arbeit |
22.4.1935 | Antwortet dem Referenten auf die Frage, wie es ihm gehe und wo er jetzt arbeite: „Dat geht Sie doch gar nichts an, dat geht Sie doch gar nichts an“. Wurde dabei zusehends erregter. |
30.5.1935 | War außerordentlich erregt, beschimpfte die Pfleger und auch den Oberpfleger in gröblichster Weise |
1.6.1935 | Arbeitet fleissig an dem neuen Sportplatz |
10.6.1935 | Ging plötzlich wieder zur Arbeit. War im Garten beschäftigt. Entwich von der Arbeitsstelle plötzlich gegen 9 Uhr morgens. Nach Benachrichtigung der benachbarten Polizei konnte Th. in Ediger ergriffen und wieder zurückgebracht werden. Verlegt zum Wachsaal. |
3.7.1935 | Hat gestern wieder gegen strengstes Gebot im Bette geraucht. |
5.7.1935 | Wurde heute, als Referent ihn ermahnt, wegen der Brandgefahr nicht mehr im Bette zu rauchen, außerordentlich erregt und auffallend frech und ausfällig gegen den Referenten, trat nahe an ihn heran und sprudelte ihm von überstürzendem Schimpfen ins Gesicht. Holte mit dem rechten Arm zum Schlagen aus. |
15.8.1935 | Reizbarer, leicht erregbarer Pflegling, der zu jähem Stimmungswechsel neigt und dann auch gewalttätig wird. |
18.12.1935: | Schreibt formal und inhaltlich richtigen Brief an seine Angehörigen. |
3.1.1936: | Bedankt sich für ein Weihnachtspacket, Schreiben inhaltlich und gedanklich geordnet. |
10.08.1936 | Verprügelte Kranken, der Rippenprellung erleidet. |
20.8.1936 | Gemäß Weisung des Provinzialverbandes nach Bedburg-Hau überführt |
21.8.1936 | Patient kommt in Sammeltransport von Ebernach. Artig, Sei in geisteskrankem Zustand aus den Tasten gesprungen. Jetzt sei er gesund. |
1937 Februar ohne Datum | Halluziniert |
10.7.1937 | Prügelt einen Kranken, wirft ihn zu Boden, dass dieser eine Rippenprellung erleidet |
28. Oktober 1937 | Geht uninteressiert seiner Arbeit nach. Halluziniert, hört Gott (Vater, reden? Wort unleserlich, T.S.) Macht erst keine weiteren Angaben über seine Sinnestäuschungen |
29.10.1938 | Führt dauernd Selbstgespräche. Außerordentlich zerfahren in seinen Gedankengängen. |
28.12.1938 | Spricht zeitweise den Arzt an, er solle doch darauf einwirken, dass er nicht mit Du angeredet wird. Halluziniert immer noch lebhaft |
1939. 1.3. | Macht in der Pflege keine besonderen Schwierigkeiten. Beschäftigt sich fleißig mit Heimarbeiten. |
16.Mai 1939 | Beschwerdebrief (siehe Dokumentation) |
1.Juli 1939 | Brief an seine Schwester und ihre Familie (Siehe Dokumentation) |
1941 | 13. März (Weilmünster): verlegt lt. Verfügung in eine andere Anstalt |
Quellen
Bistumsarchiv Trier Abt. 86 Nr. 101 (Akte betr. Sittlichkeitsprozesse gegen Ordensleute des Bistums Trier 1934ff.), Bl. 194-221 Verfahrenssache gegen den Franziskanerbruder Linus (Schulenburg) vom Kloster Ebernach
Bundesarchiv Best. R 179 Nr. 23 753 Patientenakte Friedrich Thierry
Garten- und Friedhofsamt der Stadt Trier. Aktenband „Urnenbeisetzungen 1939-1944“
Landeshauptarchiv Best, 512,009 Erbgesundheitsgericht Cochem (keine Überlieferung einer Verfahrensakte gegen Friedrich Thierry, laut Telefonat v. 5.7.2017 mit Frau Michaela Hocke)
Stadtarchiv Trier: Urnenbestattungen 1939-1944
Telefonate des Autors mit namentlich bekannten Nachfahren von Friedrich Thierry
Darstellungen Publikationen (Medien)
Ariane Arndt: Erinnerung auf zehn mal zehn Zentimetern. In: Trierischer Volksfreund
Götz Aly: Die Belasteten. „Euthanasie“ 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte. Frankfurt 2013
Horst Biesold: Klagende Hände. Oberbiel 1988
Opfer bekommen Namen wieder“, in: Rathaus-Zeitung vom 12. April 2011
Sandra Blass-Naisar: Die stille Botschaft der Stolpersteine. In: Paulinus Ausgabe 17/2011
Gisela Bock: Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Studien zur Rassenpolitik und Frauenpolitik. Opladen 1986
Gaby Breitenbach: Symptome und Diagnosen im Kontext berichteter extremer Gewalt. In: Netzwerk ALTERNATIEV (Hg): Organisierte Ritueller Gewalt und Mind-Control – Standortbestimmung 2015 oder: „Wie behandelt man Probleme von Menschen die es angeblich nicht gibt?“ Dokumentation des Fachtages am 14.11.2015 in Stuttgart, S. 9-24
Sarah Engel, Wiebke Melanie Herber, Sonja Hoenzelar, Florian Konradis und Jasmin Wiese: Friedrich Thierry. In: Projektseminar Stolpersteine. Fachbereich Geschichte an der Universität Trier. Sommersemester 2006 (= Schrift-Fassung der Arbeitsergebnisse der Arbeitsgruppe)
Frank Häßler: Schizophrene Psychosen. In: Frank Häßler (u.a. Hrsg.): Praxishandbuch forensische Psychiatrie. Grundlagen, Begutachtung und Behandlung. Berlin 2011, S. 243-258
Ludwig Hermeler: Die Euthanasie und die späte Unschuld der Psychiater. Massenmord, Bedburg-Hau und das Geheimnis rheinischer Widerstandslegenden. . Essen 2002 (=Dokumente und Darstellungen zur Geschichte der rheinischen Provinzialverwaltung und des Landschaftsverbandes Rheinland. Bd. 14)
Andreas Kinast: „Das Kind ist nicht abrichtfähig.“. „Euthanasie“ in der Kinderfachklinik Waldniel 1941-1942. Köln 2010 (= Dokumente und Darstellungen zur Geschichte des rheinischen Landschaftsverbandes Rheinland Bd. 18)
Ernst Klee: Was sie taten – Was sie wurden. Ärzte, Juristen und andere Beteiligte am Kranken- und Judenmord. Frankfurt/Main 1987
Thomas Schnitzler: Sexuelle Gewalt in Pflegeheimen des Bistums Trier – Unbekannte Vorfälle vor 1945. 9. März 2015 Saarbrücken (Vortrag für Stiftung Demokratie des Saarlandes).
Peter Zöhren: Nebenan – eine andere Welt. Vom Schicksal der Behinderten in der Anstalt Waldniel-Hostert 1906-1945. Tönisvorst 2005