Josef Becker

Geburtsdatum: 9.08.1874 Oberzerf
Sterbedatum: 5. November 1943 Andernach
Stolperstein: Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 18. November 2012

Stolperstein Josef Becker, Trier, Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 18.11.2012
Abb. 1 Trier, Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 18.11.2012

Die Identifizierung von Josef Becker als Psychiatriepatient basierte auf einer im Landeshauptarchiv Koblenz ausgewerteten Krankentransportliste des Datums 15. August 1939. An diesem Tag fuhr ein Autobus von dem Trierer Krankenhaus der Barmherzigen Brüder einen Sammeltransport mit Patienten ihrer Psychiatrieabteilung nach Andernach in die dortige Heil- und Pflegeanstalt. In dem mit mindestens 70 Personen vollbesetzten Autobus saßen hinter milchverglasten Scheiben außer Josef Becker achtzehn weitere Kranke, deren Schicksal durch das bisherige Gedenkprojekt bekannt wurde (Nachnamen wie folgt): Baden, Besslich, Hoffmann, Jakobs, Koch, Koster, Laloire, Maes, Martini, Masselter, Meyer, Mischo, Müller, Stadtfeld, Valentin, Wetzstein und Zender.

Bei den weiteren Biografie-Forschungen kooperierte die am Max-Planck-Gymnasium im Schuljahr 2012 von Frau Gesche Klein-Menke betreute Stolperstein-Projektklasse. Von wann bis wann Josef Becker als Schäfer arbeitete, geht aus seiner Krankenakte nicht hervor, in der lediglich die Berufsangabe „Hirte“ vermerkt ist. Er war nicht verheiratet. Die Zeit seiner zuerst befristeten, später andauernden Unterbringung in staatlichen Psychiatrieeinrichtungen beginnt im Jahre 1906. Seit 1917 war er in Heil- und Pfleganstalt der Barmherzigen Brüder Triers eingewiesener Psychiatriepatient.

Auszug aus der Krankenakte von Josef Becker: Deckblatt, angelegt bei Erstaufnahme am 31. März 1917 Quelle: Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 426,6 Nr. 17201
Abb. 2 Auszug aus der Krankenakte von Josef Becker: Deckblatt

Auszug aus der Krankenakte von Josef Becker 1933-1939, Quelle: Landeshauptarchiv Koblenz Best. 426,6 Nr. 17201
Abb. 3 Auszug aus der Krankenakte von Josef Becker 1933-1939

Nach den auszugsweise zitierten Eintragungen seiner Krankenakte war Josef Becker hauptsächlich „in der Korbflechterei beschäftigt.“ Gezielte psychiatrische Therapien zur Heilung seiner diagnostizierten Geisteserkrankung fanden nicht statt. Über die Jahre seiner Anstaltsunterbringung behielten die Aufseher, das Pflegepersonal und die Anstaltsleiter vorrangig ökonomische Bewertungskriterien im Auge. Auffallen dazu die wiederholten Abwertungen bezüglich seines Sozialverhaltens, die bisweilen mit moralischen Beurteilungen versetzt werden. Am 25.5.1934 etwa die Eintragungen „Stichelt hin und wieder die übrigen Kranken“, oder am 25.5.1936 über sein „hinterhältiges und stänkerisches Verhalten“, 25.11.1937 „sucht sich…durch Denunziationen von Mitpatienten lieb Kind zu machen“ bzw. am 26.3.1939 über „sein querulatorisches Wesen“.

Die letzten Eintragungen einschließlich der zitierten Sterbebeurkundung des Sonderstandesamtes waren – wie bei den vergleichbaren Kranken-Mord-Beispielen hier oben/unten – Falschangaben zur Verschleierung des organisierten Krankenmordes.
 

Dokumentation der Krankengeschichte von Josef Becker anhand seiner Patientenakte (Auszüge)

1906 Anstaltseinweisung aufgrund diagnostizierter Dementia paranoides (Halluzinatorische Wahnideen) in Merzig, ab 1912 Ebernach, 1916 Merzig und
 
ab 31.3.1917      Krankenhaus der Barmherzigen Brüder
 
24.4.1933 Unverändert fleißig beim Korbflechten beschäftigt…
 
25.5.1934 Immer noch in der Korbflechterei beschäftigt. Stichelt hin und wieder die übrigen Kranken, in der Hauptsache die jüngeren Schwachsinnigen auf.
 
11.11.1935 In der Korbflechterei tätig. Auf Station 4 untergebracht. Neigt zum Stänkern und Kritisieren.
 
26.3.1936 Stets das gleiche hinterhältige und stänkerische Verhalten. Auf der Arbeiterabteilung 1 untergebracht. Tagsüber beim Korbmachen beschäftigt.
 
1.4.1937 Keinerlei wesentliche Änderung. Macht sich nur von Zeit zu Zeit dadurch bemerkbar, dass er jüngere Patienten zur Opposition in mancherlei Dingen veranlasst.
 
25.11.1937 …Sucht sich in letzter Zeit öfter durch Denunziationen von Mitpatienten lieb Kind zu machen.- Geht mit Hilfe eines Stockes
 
26.3.1939 Im Wesentlichen unverändert. Hilft in der Korbmacherei. Treibt immer noch sein querulatorisches Wesen…
 
10.5.1939 ….Hatte in der letzten Zeit wiederholt Beschwerden beim Urinieren. Er hat eine deutlich vergrösserte Prostata, musste katheterisiert werden. Augenblicklich geht es wieder besser… Sonst noch der alte Nörgler.
 
15.8.39 überführt nach Andernach (Sic Fettschreibung, T.S.)
 
29.09.1943 geht körperlich stark zurück. (28.9.1943)
 
02.11.1943 wegen körperlicher Hinfälligkeit verlegt in Lazarett.
 
5.11.1943 Sterbebeurkundung beim Sonderstandesamt: Exitus letalis – Marasmus bei Schizophrenie

 

Quellen

Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 426,006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 20753 „Krankentransporte“ Männer A-Z und „Krankentransporte“ Frauen A-Z

Landeshauptarchiv Koblenz Best. 426.006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 17201 Patientenakte Josef Becker
 

Literatur

Heinz Faulstich: Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949: mit einer Topografie der NS-Psychiatrie. Freiburg/Breisgau 1998

Günter Haffke: Die Rolle der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Andernach bei der nationalsozialistischen „Euthanasie“. In: Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation (Hrsg.): „….Wir waren samt und sonders gegen die Durchführung der Euthanasie-Aktion. Zur NS-Euthanasie im Rheinland. Münster 2009, S. 87-108

125 Jahre Rhein-Fachklinik Andernach. Festschrift zum 125-jährigen Gründungsjubiläum 2001

Gesche Klein-Menke: Den Opfern ihre Namen zurückgeben. In: Max-Planck-Gymnasium Trier: Jahrbuch 2012/2013, S. 162-163

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