Josefine Paltzer
Geburtsdatum: 08.05.1887 Trier
Sterbedatum: 4. November 1942 Hadamar
Stolperstein: Ecke Paulin-/Maarstraße, verlegt am 30.10.2006
Abb. 1 30.10.2006 Ecke Paulin-/Maarstraße: Gunter Demnig verlegt den Stolperstein zum Gedenken an Josefine Paltzer
Abb. 2 Trier, Ecke Paulin-/Maarstr. Verlegt 30.10.2006
Der erste Stolperstein in Trier zum Gedenken an ein Opfer der NS-Krankenmorde. Am Tage vor seiner Verlegung sagte Verena Oster dem Trierischen Volksfreund in einem Interview: „Ich freue mich wirklich, dass Gunther Demnig für Josefine Paltzer einen Stolperstein verlegt, das war unser großes Ziel“. Die Geschichtsstudentin hatte im Rahmen des „Projektseminars Stolpersteine“ bei ihrer Biografie-Forschung überraschenderweise feststellt: „Zwei der Angehörigen wohnen noch in Trier und sie wussten überhaupt nicht, dass es in ihrer Familie ein Opfer des Nationalsozialismus gibt. Ich konnte den vorhandenen Stammbaum um einige Familienmitglieder erweitern“.
Anhand der im Stadtarchiv Trier hinterlegten Personenstandsdaten (Geburts-, Todes- und Daten der Eheschließung) ermittelte Frau Oster mit ihrer Arbeitsgruppe die Eltern von Josefine: die Mutter Babara, 24.08.1845 geborene Koch, und den mit ihr am 19. April 1872 (standesamtlich und kirchlich) verheirateten Vater, Lokführer Ernst Pazem, geb. am 1. Januar 1845. Josefine war katholisch und hatte 5 Geschwister (Geburtsjahr von 1879 bis 1891). Über ihre eigene Ehe mit einem Ferdinand Paltzer, mit dem sie in Köln (Hartwichstr. 29) wohnte, war nichts weiter herauszufinden, als ihre gemeinsame Tochter – Name unbekannt – am 16.08.1922 geboren wurde. Vor ihrer Eheschließung und dem Umzug nach Köln wohnte sie mit ihren Eltern seit 1901 in der in dem Haus Nr. 26 (Ecke Maarstraße).
Alle weiteren Informationen über das Schicksal von Josefine Paltzer als Psychiatriepatienten erforschte Frau Oster anhand der Krankenakte, die nach dem Krankenmord in der Tötungsanstalt Hadamar verlieb. In dieser Akte, von der die Gedenkstätte Arbeitskopien aushändigte, ist der zwanzig Jahre währende Leidensweg von Josefine Paltzer als Psychiatriepatientin ersichtlich. Die hier auszugsweise zitierten Eintragungen über ihren „Krankheitsverlauf“ dokumentieren die einzelnen Orte Ihrer Anstaltsunterbringung (u.a. eine Klinik Lindental, das Kloster Hoven bei Zülpich). Die Texte an und für sich spiegeln schon durch die vielen, oft wortgleichen Wiederholungen abschätziger Zustandsbefunde den inhumanen Geist der Bio-Eugenik-Propaganda, nach dem Geisteskranke wie Josefine Paltzer als nicht mehr pflegewürdige „Ballastexistenzen“ letztendlich für die „Vernichtung unwerten Lebens“ zur Disposition standen.
Josefine Paltzer: Auszüge aus ihrer Krankenakte
Abb. 3-4 Josefine Paltzer: Auszüge aus ihrer Krankenakte: 12. März 1924: „Irren-Pflegeanstalt Kloster Hoven“ (3) und 19. August 1942 Verlegung nach Hadamar (4)
Dokumentation der Krankengeschichte von Josefine Paltzer anhand ihrer Patientenakte (Auszüge)
08.02.1924: | Diagnose laut Aufnahmefragebogen: „Die Kranke wird von Sinnestäuschungen beherrscht, sie ist ganz autistisch, nicht in der Lage, sich draußen zu halten; sie bedarf wegen Schizophrenie der Anstaltspflege. |
28.09.1929: | Beschäftigt sich etwas mit Wolle zupfen, spricht dabei viel vor sich hin, macht dazwischen auch allerhand ausfahrende Bewegungen mit den Armen. |
20.01.1930: | Macht zur Zeit stereotype Bewegungen mit der linken Hand am linken Ohr. Es sieht aus, wie jemand, der eine dort sitzende Fliege abwehrt. Stört nachts mitunter durch lautes, zerfahrendes Gerede |
16.03.1930: | Lacht läppisch vor sich hin. Spricht viel mit sich selbst. Gibt bei Anfragen gelegentlich die sinnige Antwort z.B.: „Ich bin mit dem Erlöser vertraut.“ |
10.09.1930: | Macht immer noch viel die ihr eigentümlichen Bewegungen mit den Armen, vereinzelt zu Tätlichkeiten neigend. |
16.12.1931: | Begleitet ihre Selbstgespräche mit allerlei Armbewegungen, stört auch nachts mitunter durch lautes Sprechen. |
18.05.1933: | Öfters unter offensichtlichem Einfluss von Halluzinationen, schimpft und schreit in die Luft hinein, kann in starke Erregung geraten. |
26.01.1934: | Spricht bald mehr, bald weniger laut vor sich hin, ist sehr eigenwillig bei irgendwelchen Maßnahmen, mitunter sehr widerstrebend, geht zu rücksichtslosen Tätlichkeiten über, schlägt, tritt. |
27.11.1934: | Ist fast den ganzen Tag mit ihren Selbstgesprächen beschäftigt, wird dabei auch mitunter plötzlich erregt, droht, wird auch handgreiflich zu Kranken und Schwestern. Bedarf bei An- und Auskleiden der Nachhülfe, da sie alles verkehrt macht; ist bei diesen Hilfeleistungen vielfach verkehrt, widerstrebend. |
27.07.1936: | Schafft auch nachts durch laute, erregte Selbstgespräche allerlei Störungen. Gibt keine sachliche Antwort. |
14.09.1937: | Spricht öfters laut und erregt in die Luft hinein, macht allerlei lebendige Bewegungen und Gesten dabei. Schaut bei Anrede mitunter kurz auf, gibt keine sachliche Auskunft. |
15.10.1937 | Auch nachts mitunter störend durch lautes, zusammenhangloses Gerede. |
12.11.1938: | Allem wirklichen Geschehen abgewendet, wirkt fast dauernd innerlich beschäftigt, vielfach auch gespannt, gereizt, führt laute Selbstgespräche. |
15.11.1939: | Lacht laut und grundlos, schwätzt allerlei Unsinniges daher. Ist auch vielfach laut und erregt. Spricht von sich selbst als vom „Bürschelchen“. Die Pflege des äußeren Menschen geschieht z.T: durch dritte Hand. |
27.09.1940: | Ist in der Erregung zu Tätlichkeiten gegen sich und andere bereit. In letzter Zeit noch verkehrter als sonst, insbesondere beim Ank- und Auskleiden…. |
24.03.1941: | Untätig. Kommt regelmässig in den Park hinaus. Viel in Selbstgesprächen, manchmal erregt und laut schimpfend. |
25.11.1941: | Nach wie vor in unsinnigen Monologen. Zankt und ärgert die anderen, fährt mit der Hand über deren Kopf, lacht dann, wenn sie sich erschrecken. |
15.08.1942: | Weniger in Bewegung, leichter zu dirigieren… |
18.08.1942: | In die Hessische Landesanstalt Hadamar überführt. |
04. November 1942: | Endzustand einer Schizophrenie. In letzter Zeit bettlägerig wegen Schwäche. Seit einigen Tagen rapider Verfall. Heute exitus an Marasmus. |
Quellen
Gedenkstätte Hadamar: Patientenakte Josefine Paltzer
Stolperstein (Foto): In: Trierischer Volksfreund vom 29.10.2006
Publikationen (Medien)
Verena Oster: Josefine Paltzer. Vortrag anlässlich der Stolpersteinverlegung vom 30.10.2006 (zugleich Vorstellung der Forschungsarbeit vom Projektseminar Stolpersteine im FB Geschichte an der Uni Trier. Sommersemester 2006)
Bettina Leuchtenberg: 21 Stolpersteine für Trier und die Region. In: Trierischer Volksfreund vom 29. Oktober 2006
Thomas Schnitzler: Aktion Stolpersteine (Teil 5): Stolpersteine in ST. Paulin Paulinstr. 26 In: PFARRBRIEF St. Paulin/St. Martin v. 18.11.-15.12.2006, S. 17