Lorenz Koster
Geburtsdatum: 10.02.1902 Mertesdorf
Sterbedatum: 10. Oktober 1940 Andernach
Stolperstein: Peter-Friedhofen-Straße, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder (Eingangstor), verlegt 18. November 2012
Abb. 1 Trier, Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 18.11.2012
Die Identifizierung von Lorenz Koster als Psychiatriepatient basierte auf einer im Landeshauptarchiv Koblenz ausgewerteten Krankentransportliste des Datums 15. August 1939. An diesem Tag fuhr ein Autobus von dem Trierer Krankenhaus der Barmherzigen Brüder einen Sammeltransport mit Patienten ihrer Psychiatrieabteilung nach Andernach in die dortige Heil- und Pflegeanstalt. In dem mit mindestens 70 Personen vollbesetzten Autobus saßen hinter milchverglasten Scheiben außer Lorenz Koster achtzehn weitere Kranke, deren Schicksal durch das bisherige Gedenkprojekt bekannt wurde (Nachnamen wie folgt): Baden, Becker, Besslich, Hemgesberg, Jakobs, Hoffmann, Koch, Laloire, Maes, Martini, Masselter, Meyer, Mischo, Müller, Stadtfeld, Valentin, Wetzstein und Zender.
Nach den Angaben in der Krankenakte war Lorenz Koster von Beruf Baggerführer, katholischer Konfession und nicht verheiratet. Sein Vater war der Landwirt Nikolaus Koster. Seine Mutter Anna Katharina, geborene Treinen, war bereits verstorben. Über seinen Bruder Namens Valentin Koster finden sich keine weiteren Angaben.
Am 30. Januar 1938 veranlasste Dr. Wortmann in Ruwer aufgrund der von ihm erkannten Anzeichen einer „Schizophrenie“ die Einweisung von Lorenz Koster in das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier. Bei seiner Aufnahme in der Heil- und Pflegeanstalt dort bestätigte der Anstaltsarzt diesen Befund mit der Ergänzung „symptomatisch“. Aus der auszugsweise zitierten Krankenakte ergibt sich in Bezug auf die weitere Krankenbehandlung ein ähnliches Bild wie bei den anderen hier rekonstruierten Opferbiografien.
Eine auf Heilung der an ihm diagnostizierten Krankheit ausgerichtete Therapie fand nicht statt. Die Berichte konstatieren in fortlaufender Regelmäßigkeit lediglich die unveränderten äußerlichen Krankheitssymptome, ohne aber eine medizinisch fundierte Ursachenexploration durchzuführen. Als Patient einer Psychiatrieanstalt wurde Lorenz Koster in seinen „Krankheitsverlaufs“-Berichten fortlaufend herabgewürdigt zu einer minderwertigen Person. In den Stereotyp formulierten Negativbeschreibungen seines Verhaltens und seines Pflegezustandes spiegelte sich die verbrecherischen Maßgaben der Eugenik wieder, nach denen nervenkranke kranke Menschen wie er als volkwohlschädigende „Ballastexistenzen“ angesehen wurden, für die sich pflegeärztliche Bemühungen allenfalls nur noch so lange „rentierten“ (Hervorhebung T.S.), wie sie sich durch einen anstaltsökonomischen Nutzen legitimieren ließen.
Laut seiner auszugsweise dokumentierten Krankenakte war Lorenz Koster „abweisend und unzugänglich“, ein Patient, der den routinemäßigen Ablauf störte, indem der „auf Anrede“ nicht oder „kaum reagierte“; ein Patient, der „verschiedentlich seine Nahrung verweigerte“ und in der Nacht nicht schlief; ein „depressiver Patient“, der sich bei Ansprachen durch die Pfleger oder Ärzte „in sein Kissen verkriecht“; ein durchweg „antriebsloser“ Patient, der „zu keiner Arbeit zu bewegen“ war.
Unter den hier mehrfach beschriebenen Bedingungen (Hungerkost u.a. pflegemedizinische Vernachlässigungen) der Zwischenanstalt Andernach lebte Lorenz Koster dort nur mehr knapp vierzehn Monate. Die ihm auf dem Sonderstandesamt dort unter dem Datum des 10.Oktobers 1940 ausgestellte Sterbeurkunde verschleierte mit der angeblichen Todesursache „a)Schizophrenie b)Pneumonie“ den tatsächlichen Krankenmord.
Abb. 2 Deckblatt der Personalakte bei Aufnahme in Heil- und Pflegeanstalt Trier 1938
Abb. 3 Blätter 1 und 3 der Krankenakte
Dokumentation der Krankengeschichte von Lorenz Koster anhand seiner Patientenakte (Auszüge)
….Der Kranke ist den ganzen (Tag, T.S.) abweisend und unzugänglich. Er verkriecht sich in sein Kissen, spricht spontan kein Wort, reagiert kaum auf Anrede. Er hält sich das Gesicht zu oder zieht sich die Decke über den Kopf. Auch hat er verschiedentlich seine Nahrung verweigert. Nachts ist er zwar ruhig, aber er schläft nicht. Offenbar hört Pat. (ient) massenhaft Stimmen, wie er auf Befragen zugibt. |
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3. Mai 1939: | Auf Abt. 7.- Nach wie vor stuporöses (erstarrtes) Zustandsbild. Im Übrigen ruhig verträglich, ist zu keiner Arbeit zu bewegen, in jeder Beziehung antrieblos, isst wenig. |
15.8.1939: | überführt nach Andernach |
Sterbediagnose Andernach 10.10.1940 Andernach um 2 Uhr 30
a)Schizophrenie
b)Pneumonie
Telefonische Mordverschleierungs- und Sterbemitteilungen an das Bürgermeisteramt Ruwer:
10.10.1940!! (= vor Einleitung der Tötungsmedikation) über Verschlechterung des Gesundheitszustandes
Abb. 4 Sonderstandesamt Andernach: Sterbebeurkundung mit Todesdatum 10.10.1940
Quellen
Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 426,006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 20753 „Krankentransporte“ Männer A-Z und „Krankentransporte“ Frauen A-Z
Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 426,006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 7823 Patientenakte Lorenz Koster
Literatur
Heinz Faulstich: : Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949: mit einer Topografie der NS-Psychiatrie. Freiburg/Breisgau 1998
Günter Haffke: Die Rolle der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Andernach bei der nationalsozialistischen „Euthanasie“. In: Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation (Hrsg.): „….Wir waren samt und sonders gegen die Durchführung der Euthanasie-Aktion. Zur NS-Euthanasie im Rheinland. Münster 2009, S. 87-108
125 Jahre Rhein-Fachklinik Andernach. Festschrift zum 125-jährigen Gründungsjubiläum 2001