Mathias Koch
Geburtsdatum: 16.9.1919 Gerolstein
Sterbedatum: 7. Juni 1941 Hadamar
Stolperstein: Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 18. März 2013
Abb. 1 Trier, Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 18.03.2013
Die Identifizierung von Mathias Koch als Psychiatriepatient basierte auf einer im Landeshauptarchiv Koblenz ausgewerteten Krankentransportliste des Datums 15. August 1939. An diesem Tag fuhr ein Autobus von dem Trierer Krankenhaus der Barmherzigen Brüder einen Sammeltransport mit Patienten ihrer Psychiatrieabteilung nach Andernach in die dortige Heil- und Pflegeanstalt. In dem mit mindestens 70 Personen vollbesetzten Autobus saßen hinter milchverglasten Scheiben außer Mathias Koch achtzehn weitere Kranke, deren Schicksal durch das bisherige Gedenkprojekt bekannt wurde (Nachnamen wie folgt): Baden, Becker, Besslich, Hemgesberg, Hoffmann, Jakobs, Koster, Laloire, Maes, Martini, Masselter, Meyer, Mischo, Müller, Stadtfeld, Valentin, Wetzstein und Zender.
Laut seiner im Landeshauptarchiv Koblenz und im Bundesarchiv Berlin eingesehenen Patientenakten wurde Mathias Koch am 16. September 1919 in Gerolstein geboren als Sohn des Zugführers Theodor Koch (*17.11.1879 Gerolstein) und seiner Ehefrau (Eheschließung 10.5.1907) Monika, geb. Burggraf. Das Ehepaar hatte außer Mathias sechs weitere Kinder. Peter (geb. 10.3.1908), Franz (geb. 31.7.1909), Lambert (10.12.1910), Karl Nikolaus (2.11.1912), Karl Maria (1914-1915) und Christian (25.7.1921). Die kinderreiche Familie bewohnte in Gerolstein am Lissinger Weg das Haus mit der Nr. 25. Von seinen Eltern war Mathias Koch um 1925 in der katholischen Volksschule Gerolstein angemeldet worden. Wegen seiner ab dem neunten Lebensjahr auftretenden epileptischen Anfälle übergaben sie ihn von 1927 bis 1931 nach Bonn in jenes Kinderheim, das nur wenige Jahre später seine Verfolgung als Erbkranker durch Weitergabe vertraulicher Aktendaten zuarbeitete.
Denn nach Einführung der Erbgesundheitsgesetzgebung stand Mathias Koch im Fahndungsraster der krankheitsverdächtigten Personen. Bei der nun systematisch auf allen Ebenen organisierten „erbbiologischen Bestandsaufnahme“ kooperierten die Amtsärzte mit den Heimen, Psychiatrie- und allen möglichen öffentlichen Einrichtungen unter Einschluss der Kinderheime, Sonderschulen und Haftanstalten – nicht zuletzt auch mit denunziationswilligen Bürgern. Nach der Aktenlage war es ein Bürger aus Daun, der am 30.10.1934 Matthias Koch beim Kreisarzt in Daun „wegen erblicher Fallsucht“ angezeigt hatte. Dieser private Anzeiger war aber vom Verfasser anhand seiner unleserlichen Unterschrift auf der Anzeigenkorrespondenz nicht zu identifizieren.
Am 6. Juni 1935 erstattete der leitende Arzt am Gesundheitsamt Daun bei dem Erbgesundheitsgericht des Regierungsbezirks Trier die Erbkrankheitsanzeige gegen Mathias Koch. Die Trierer Gerichtsbehörde beauftragte daraufhin den Psychiater Dr. Faas mit einem Gutachten, das jener am 19. Juni 1936 in den Räumen des Gesundheitsamtes Daun erstellte. Faas war Leitender Psychiater beim Gesundheitsamt Trier und zugleich im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Leiter der Heil- und Pflegeanstalt. Zu dem auf Anordnung des Kreisarztes in Daun auf dem dortigen Gesundheitsamt am 19. Juni bei Faas anberaumten Untersuchungstermin war Mathias Koch aber nicht erschienen. Seine Mutter hatte ihn drei Tage vorher, am 16. Juni, schriftlich entschuldigt. „Da mein Sohn Mathias krank ist kann ich am Montag nicht mit ihm zur Untersuchung kommen, Wenn ich bitten darf und es Ihnen recht ist, könnten Sie die Untersuchung ja im Karnkenhaus Gerolstein vornehmen.“ Der durch in jenen Jahren überhand nehmende Gutachtertätigkeit überlastete Dr. Faas aber ignorierte diese Vorschlag der Mutter und erstellte das Gutachten, ohne eine persönliche Untersuchung an Mathias Koch vorzunehmen – also allein anhand der ihm übermittelten (Kranken-)Aktenlage.
Bei Mathias Koch wären „seit 1927 Anfälle“ aufgetreten, deren wegen er bereits in frühen Jahren der staatliche Heimfürsorge hätte übergeben werden müssen. Da der Trierer Psychiater bei diesem Gutachtertermin aber wegen der Nichtanwesenheit des Untersuchten und seiner Mutter nichts „näheres“ hatte in Erfahrung bringen, stellte das Erbgesundheitsgericht Trier nun selbst Nachforschungen an. Ende gleichen Monats bereits erlangte es Einsichtnahme in die früheren Krankenakten von Mathias Koch, die zugleich exakte Zeit- und Ortsangaben enthielten: „Mit 12 Jahren kam“ Mathias Koch „in die Rheinische Provinzial-Kinderanstalt für seelisch Abnorme in Bonn“, Anschrift: „Kaiser Karl Ring 22“. Auf seine diesbezügliche Anfrage hielt das Erbgesundheitsgericht nun auch die für seinen späteren Beschluss einzig und allein entscheidende Krankheitsdiagnose in den Händen: Die in dem Bonner Kinderheim aufgestellte „ärztliche Diagnose lautete auf genuine Epilepsie (Fallsucht ohne nachweisbare Ursache)“.
Abb. 2 Personalakte v. Matthias Koch (Deckblatt)
Abb. 3 Aufnahme-Vermerk der Heil- und Pflegeanstalt Trier (30.11.1938)
Am 17. Juli 1935 beschloss das Erbgesundheitsgericht Trier in Gerolstein unter dem Vorsitz des Trierer Medizinalrats Dr. Engel, dem fachärztlichen Beisitzer Dr. med. Reis und im Beisein des Justizangestellten Görgen „als Urkundenbeauftragtem“ die „Unfruchtbarmachung“ von Mathias Koch. In der Begründung verwies es auf die vorgenannte Diagnose. Zur Vollstreckung musste sich Mathias Koch nach Trier in das Evangelische Krankenhaus begeben. Die entsprechende Anordnung erging per Einschreiben mit zu quittierender Postzustellungsurkunde an seinen Vater. Ob er wegen der Herzkrankheit, die sein Vater in seinem hier unten zitierten Widerspruch angeführt hatte, operationstauglich war, wurde entgegen der Beschlussfassung des Gerichtes vor dem Eingriff nicht mehr festgestellt..Der ausführende Operateur, Dr. Leonhard, bestätigte in seinem ärztlichen Bericht vom 26. September 1935 dem Erbgesundheitsgericht Trier den von ihm am 17. September 1935 im Evangelischen Elisabethkrankenhaus in Trier durchgeführten Eingriff.
„Der an erblicher Fallsucht leidende Mathias Koch…..ist auf Grund der Entscheidung des Erbgesundheitsgerichts Trier vom 17.7.1935 Aktenzeiczen XIII 279/35 am 17.9.35 von mir unfruchtbar gemacht worden….Bei dem Eingriff wurden die Samenleiter in 12 cm Länge entfernt und doppelt unterbunden. Die Operation verlief regelrecht. De Wunder heilte in 8 Tagen ohne Nebenerscheinungen. Der Operierte wurde am 26.9.1935 als geheilt entlassen.“
Der Zwangscharakter der Maßnahme wurde bei dem Verfahren selbst evident an dem erfolglosen Widerstand des Vaters und dem ebenso erfolglosen Einspruch, den ein nicht genannter Bruder von Mathias während dem erwähnten beschlussfassenden Sitzungstermin persönlich vorgetragen hatte (siehe unten).
Am 13. Juli, also vier Tage vor der erwähnten beschließenden Sitzung, forderte Theodor Koch in dem anbei dokumentierten, mehr als zwei Seiten umfassenden Schreiben mit starken und nachvollziehbaren Argumenten die Einstellung des Verfahrens. Wahrscheinlich wurde ihm ein Fristenverstoß unterstellt dahingehend, den Antrag zu spät eingereicht zu haben. Seinen handschriftlichen Brief, der im Original in der Verfahrensakte einliegt, hat Theodor Koch definitiv eigenhändig unter dem Datum des 13. Juli verfasst, und zwar mit säuberlichster Handschrift. Das von ihm oben am Briefkopf angegebene Datum (13. Juli 1935) war aber nachträglich von fremder Hand mit Bleistift durchgestrichen und um mehr als vier Wochen – also nach dem Entscheidungstermin – nach hinten verlegt worden. Das Gericht begründete den Sterilisationsbeschluss wie folgt:
„Der Antrag des Vaters, die Unfruchtbarmachung nicht auszusprechen, konnte nicht stattgegeben werden. Eine Gewähr dafür, dass ein Verkehr seines Sohnes ausgeschlossen sei, kann dann erst mit Sicherheit gegeben werden, wenn derselbe in einer Anstalt untergebracht wäre. Ob die Herzkrankheit des Kindes einen ärztlichen Eingriff nicht zulässt, wird vor dem Eingriff festgestellt.“
Das in der Dokumentation zitierte Schreiben von Theodor Koch – mein Sohn lebt „in einer sittlich hochstehenden Familie“ – bezeugt einen unter den obwaltenden Verhältnissen bemerkenswerten zivilen Bürgerstolz, den der fürsorgliche Vater auch nach der dauerhaften Anstaltseinweisung seines Sohnes beibehalten hat. Auch auf dem Weg zu seiner letztlich endgültigen Anstaltseinweisung (30.11.1938, siehe unten) begleitete er ihn. Und auch bei der gleichen Tages in Rücksprache mit ihm erstellten Aufnahme-Anamnese diktierte Theodor Koch dem Anstaltsarzt Angaben, aus denen sich keinerlei Schlussfolgerungen auf eine Erbkrankheit seines Sohnes ableiten ließen:
„In der Familie des Vaters und in der der Mutter sind niemals Fälle von Fallsucht vorgekommen. Der Patient war als Kind ganz normal, lernte in der Schule sehr gut.“ (Krankheitsblatt 30.11.1938, siehe unten)
Von einer unablässigen elterlichen Fürsorge zeugen weitere Angaben in der Krankenakte. Im Unterschied zu vielen anderen Psychiatriepatienten kam Nikolaus Koch in Andernach mit einem gut und ausreichend sortierten Bekleidungssortiment an. Seinen Reisekoffer wird ihm die Mutter Maria vorsorglich auch im Hinblick auf eine eventuell längere Anstaltsunterbringung gepackt haben. Auf dem Kleiderzettel der Heilanstalt waren außer den Kleidern noch vermerkt: ein Spiegel, ein Kamm, eine Taschenuhr mit Kette, eine Geldbörse, ein Rosenkranz und ein nicht näher bezeichnetes Abzeichen.
Abb. 4 Krankenakte Trier: Einträge 1938-1939
Abb. 5 Kleiderzettel bei Aufnahme in der Heil- und Pflegeanstalt Andernach (16.8.1938)
Von seinem Vater bekam er regelmäßig Briefe, die er ebenso regelmäßig beantwortete. Sein Vater schrieb nicht nur an ihn, sondern auch an den ärztlichen Leiter. Darin erkundigte er sich nicht nur nach dem Wohlergehen seines Sohnes und etwaigen Aussichten auf Heilung (siehe „autobiografische Dokumente“, 10.1.1940). In dem Schreiben vom 19. Januar 1940 verlangte Theodor Koch eine Erklärung zu den Beschwerden seines Sohnes über den angeblichen Diebstahl seiner Sonntagsjacke.
Abb. 6 19.1.1940 Schreiben von Vater Theodor Koch an den Anstaltsdirektor i. Andernach
Abb. 7 24.1.1940 Antwort Dr. Kreisch
Aus der unten auszugsweise zitierten Krankenakte spricht abermals exemplarisch das inhumane Krankheitsverständnis der NS-Anstaltspsychiatrie, das dem organisierten Krankenmord eine bahnende Strukturvoraussetzung bereitete. Die von Seiten seiner Pfleger und diensthabenden Ärzte geschriebenen Krankenberichte konzentrierten sich lediglich auf äußere Symptome seiner als unheilbar, da vererbt aufgefassten Epilepsie. Kranke Menschen wie er wurden nicht als pflegenswert um ihrer selbst wegen, sondern einzig und allein als Störfaktor eines vermeintlich perfekt organisierten Anstalts-Verwahrungsbetriebs wahrgenommen und aufgefasst. Viele der über seinen „Krankheitsverlauf“ niedergeschriebenen Beobachtungen waren tatsächlich einzig und allein als Störungen des alltäglichen Ablaufes bemerkt worden. Seine Gewohnheit, sich selbst über Kleinigkeiten zu beschweren, den Ärzten nach der Visite hinterher zulaufen und sein insgesamt als „lästig“ empfundenes „Benehmen“ (Krankenblatt 1939, 9. Januar, 5. Mai und 28. Mai).
Eine letzte in dieser Darstellung berücksichtige autobiografische Information ist das Porträtfoto auf dem Ausmusterungsbescheid der Wehrbezirks-Kommandantur vom 3. Februar 1940. Das einzige erhaltene Porträtfoto zeigt den 20jährigen Mathias Koch in seinem letzten Lebensjahr. Er trägt einen Anzug mit Hemd und sauber gebundenem Schlips. Seine Gesichtszüge aber wirken angespannt, ganz besonders die Mundpartie. Vielleicht wollte er gar nicht fotografiert werden.
Abb. 8 3.2.1940 Ausmusterungsschein Mathias Koch
Am 7. Juni 1941 wurde Mathias Koch mit einem Sammeltransport der „Euthanasie-Aktion T 4“ in die Tötungsanstalt Hadamar „überführt“.
Auch nach dem Ableben von Mathias Koch beschäftigten sich die Erbgesundheitsbehörden weiterhin mit seiner Familie. Vor endgültiger Beschließung seiner Erbgesundheitsakte fehlte noch eine Aufstellung seines Familienstammbaums in dem etwaige „Erbbelastungen“ auch anderer Angehöriger zu „erfassen“ waren. Zu diesem Zweck erhielt die arme Mutter Maria am 18. Juli 1943 eine abermalige Vorladung beim Gesundheitsamt in Daun. Aufgrund ihrer Angaben vervollständige die Amtsbehörde den bei dem Verfahren gegen ihren Sohn angelegten „Sippenfragebogen“ um die Angaben, die für den Abschluss der „Sippenakte Nr. 547/43“ (Familie Koch) noch fehlten. Als sie den vervollständigten Sippenbogen handschriftlich unterzeichnete, bestätigte sie auch die verschleiernden Angaben über die Ermordung ihres Sohnes Mathias in Hadamar. Die nach dem Krankheitsbefund „erbliche Fallsucht“ notierte Sterbeursache war „Mittelohrentzündung.“
Die verbrecherische Perversion der NS-Eugenik erwies sich nicht zuletzt darin, dass in den ergänzenden Biografie-Angaben dieser „Sippenakte“ nicht ein einziger Hinweis auf Erbkrankheiten enthalten war. Bei kritischer Überprüfung mussten die mit der „wissenschaftlichen“ (Hervorhebung T.S.) Nachbereitung befassten Erbmediziner am Rheinischen Institut für Rassenforschung in Bonn eigentlich zu der beschämenden Erkenntnis gelangt sein, dass sie an einer nach ihren eigenen Maßgaben volksökonomisch und volkspolitisch „hochwertigen“ Familie (Hervorhebung T.S.) einen rassenbiologisch vollkommen unsinnigen „Ausmerzungs“-Mord begangen hatten. Es fehlten nicht nur weitere Erbkrankheitsnachweise in der „Sippenakte“ der Familie Koch. Vier seiner Brüder waren in angesehenen Berufsstellungen notiert: Der eingangs als erstgeborener Sohn Peter benannte war am 16.2.1944 in Italien am 16.2.1944 gefallen, hatte also, wie es in der vielfach zitierter Propaganda hieß, „sein Leben für Führer und Vaterland geopfert“; der zweitgeborene Sohn Franz arbeitete als Baumeister in Aachen; der drittgeborene Lambert war Professor (ohne Angabe der Fachrichtung); der viertgeborene Sohn Nikolaus hatte in Philosophie promoviert. Und der jüngste Christian diente zur Zeit der Erstellung des Sippenfragebogens ebenfalls dem „Vaterland“ als „Unteroffizier im Felde“.
Dokumentation der Krankengeschichte von Mathias Koch anhand seiner Patientenakte (Auszüge)
in nicht genannter „Kinderheimstätte“ |
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30.11.1938 | unmittelbar bei Einweisung in der Heil- u. Pflegeanstalt Trier. „stierer Blick“, „sinnlose Antworten“, „wird unruhig“, Luminal-Vergabe nach epileptischem Anfall |
30.11.1938 | Aufnahmeprotokoll von Anstaltsleiter Dr. Faas: „Weitgehend verblödeter Epileptiker. Verständigung nur schwer und unvollständig möglich. Gezierte, umständliche Art zu reden“. |
30.11.1938 | Anamnese: „Der begleitende Vater machte zur Anamnese folgende Angaben. In der Familie des Vaters und in der der Mutter sind niemals Fälle von Fallsucht vorgekommen. Der Patient war als Kind ganz normal, lernte in der Schule sehr gut. Im Alter von neun Jahren stellten sich zum ersten Male die Anfälle ein“….“Mit der Zeit wurden dann die Anfälle immer häufiger und die Verblödung nahm zu. In den letzten Wochen traten die Anfälle immer häufiger auf. Überdies zeigte der Junge die Tendenz, fortzulaufen. Wenn man ihn daran zu hindern suchte, wurde er bösartig und gegen seine Angehörigen gewalttätig. In der letzten Zeit hat er sich häufig im Anfall verletzt. Da die häusliche Pflege nicht mehr ausreicht, wird der Patient der Anstalt überwiesen. |
30.November bis 30. Dezember 1938 | (Auszüge): „In der Nacht hat er einen epileptischen Anfall von kurzer Dauer. Bei Beginn stößt er einen langen, lauten Schrei aus, dann folgen tonisch-klonische Zuckungen, tiefe Bewusstlosigkeit und allmähliches Wiederkehren des Bewusstseins. Nach dem Anfall einige Stunden dauernder Dämmerzustand. Patient bekommt zweimal täglich Luminal“ „Patient „kneift und kratzt die Pfleger, nimmt keine Medikamente, spukt alles wieder aus, will dauernd aus dem Bett“ (4.12.) „ist nur nur mit großer Mühe im Bett zu halten“….“„muss zur Beruhigung zwei Mal täglich eine Ampulle Luminal haben“ (5.12.) „psychisch immer gleich unbeholfen und klebrig“.“steht unter Luminal“ (12.12.) |
9. Januar 1939 | „Darf heute aufstehen. Freut sich mächtig darüber. Sucht sich auf der Station nützlich zu machen. Kommt immer wieder und erzählt, was er schon alles gearbeitet habe. Bei der Visite recht lästig und aufdringlich.“ |
5. Mai 1939 | „Auf Abt. 7“ verlegt. „Ungeheuer lästig in seinem Benehmen. Rennt jeden Morgen der Visite nach und will andere verdächtigen. Klebrige umständliche Sprache. Hat vor drei Wochen einen Mitkranken geschlagen. Anfälle ziemlich häufig. Steht unter Luminal.“ |
28. Mai 1939 | „Psychisch unverändert. Hat sich immer über eine Kleinigkeit zu beschweren, die er in umständlicher, verlangsamter Sprechweise vorbringt (Pedanterie). Nach wie vor heftige Anfälle…“ |
15.8.1939 | „nach Andernach überführt“ |
1.10. 1939 | „Umständlich, klebrig, bekommt Luminal.“ |
19. Januar 1940: | Anfrage des Vaters nach seinem Befinden (siehe unter „autobiografische Dokumente“ mit Antwort des Anstaltsarztes v. 24.1. |
8. Februar 1940 | Ausmusterungsbescheid durch das Wehrmeldeamt Mayen |
7.6.1941 | überführt nach Hadamar mit Aktenzeichen „K 1933“ |
Autobiografische Dokumente – Korrespondenz von Theodor Koch (Vater)
Gerolstein, den 13. Juli 1935 an das Erbgesundheitsgericht in Trier
Ich bitte das hohe Gericht , folgendes zur Kenntnis zu nehmen:
Abgesehen von der Frage, ob mein väterlicher Wille in dieser Sache übergangen werden kann, und er nicht den Schutz eines Reichsgesetzes genießt, bemerke ich:
Das in Frage kommende Gesetz soll erbkranken Nachwuchs verhüten.
Bei meinem Sohn ist erbkranker Nachwuchs nicht zu befürchten.
Also braucht dieses Gesetz auf ihn nicht angewandt zu werden.
Mein Sohn selbst in einer lebt in einer sittlich hochstehenden Familie und in einer unkomplizierten Umgebung. Sein Wesen ist abgeklärt und ruhig, wie bei einem gläubigen Christen, der nach schwerem Leiden mit dieser Welt abgeschlossen hat.
Mein Familienleben steht in ernster Gefahr, wenn für meinen Sohn das quälerische Problem aufgerollt wird..
Das hohe Gericht möge berücksichtigen:
Dass die Krankheit meines Sohnes erblich ist lässt sich nicht klar nachweisen.
Wenn sie erblich wäre, so wäre eine Sterilisation demnach nicht nötig, denn
1)Mein Sohn ist noch aufgeklärt, aber wenn er nicht mit Gewalt in das Sexualproblem gerissen wird, ist es für ihn kein Problem.
2)Bei der Herzkrankheit meines Sohnes ist zu erwarten, dass er nicht mehr lange lebt u. in dieser Rücksicht wäre eine Sterilisation eine Rohheit im Seelenleben meines Kindes und eine sehr bedauerliche Verhärtung meiner Sorgen as Vater einer großen Familie, weil die ganzen Schwierigkeiten einer großen Familie auf einmal akut würden.
3)Bei meinem Sohn ist kein Gedanke an die Ehe. Im Gegenteil: Er hat sehr scharf (bereut?. Verb.unleserlich), dass er nicht heiraten darf.
4)Ein außerehelicher Verkehr kommt gar nicht in Frage. Dieser einzige Punkt wäre zu bedenken.
Aber auch dieser Punkt ist klar zu erledigen.
Die Haltung meines Sohnes, unsere klare christl. Weltanschauung und die absolute Sauberkeit meiner Familie, die hier nicht etwa durch unübersichtliche, städtische Verhältnisse wirkungslos gemacht werden könnte, geben vollkommene Sicherheit und eine Entscheidung des hohen Gerichts gegen meinen Willen wäre ein Argwohn, den ich wie einen Schlag ins Gesicht empfinden müßte.Sie wäre eine Beleidigung meiner sittlichen Haltung, die allein fähig ist im Volk große u. glückliche Familien zu schaffen.
.Deshalb stimme ich seiner Sterilisation nicht zu und bitte das hohe Gericht unter Erwägung der angeführten Gründe um Entscheidung in meinem Sinn.
Theodor Koch, Gerolstein, Liss. Weg. 25.
17. Juli 1935 Einspruch des (namentlich genannten) Bruders von Mathias Koch bei der beschließenden Sitzung des Erbgesundheitsgerichts in Gerolstein:
..In unserer Familie steckt nichts Krankhaftes drin. Mit 8 Jahren hatte mein Bruder Krämpfe erst gekriegt. Ich bitte die Sache aufzuschieben. Mein Bruder ist so krank, dass er wohl kein Jahr mehr leben wird.
19.1.1940 an die Anstaltsleitung (Andernach):
Mein Sohn ist seit längerer Zeit in die Abteilung 2 b versetzt worden. Geben Sie uns bitte Nachricht, ob in dieser Abteilung noch speziell gegen seine Krankheit (Epilepsie) etwas unternommen wird. Ich bitte gleichfalls um Beurteilung des Zustandes meines Sohnes….
24.1.1940 Antwort Dr. Kreisch: Sehr geehrter Herr Koch! Auf Ihr Schreiben….erwidern wir Ihnen, dass auf der Abteilung, auf welcher sich Ihr Sohn jetzt befindet, speziell gegen seine Krankheit nichts unternommen wird und bei der Natur seines fortgeschrittenen Leidens auch nichts unternommen werden kann. Wahrscheinlich wird Ihr Sohn dauernd anstaltsbedürftig bleiben…
Quellen
Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 426,006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 20753 „Krankentransporte“ Männer A-Z und „Krankentransporte“ Frauen A-Z
Bundesarchiv Berlin R 179 Nr. 27651 Patientenakte Mathias Koch
Landeshauptarchiv Koblenz Best. 512,22 Gesundheitsamt Daun. Nr. 63 und 335 Erbgesundheitssache betr. Mathias Koch
Literatur
Heinz Faulstich: Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949: mit einer Topografie der NS-Psychiatrie. Freiburg/Breisgau 1998
Günter Haffke: Die Rolle der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Andernach bei der nationalsozialistischen „Euthanasie“. In: Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation (Hrsg.): „….Wir waren samt und sonders gegen die Durchführung der Euthanasie-Aktion. Zur NS-Euthanasie im Rheinland. Münster 2009, S. 87-108
125 Jahre Rhein-Fachklinik Andernach. Festschrift zum 125-jährigen Gründungsjubiläum 2001