Wilhelm Besslich

Geburtsdatum: 1. November 1903 Pfalzel
Sterbedatum: 6. September 1941 Andernach
Stolperstein: Peter-Friedhofen-Straße, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder (Eingangstor), verlegt 18. November 2012

Stolperstein Wilhelm Besslich, Trier, Peter-Friedhofen-Str. 7. Verlegt 18. November 2012
Abb. 1 Trier, Peter-Friedhofen-Str. 7.Verlegt 18. November 2012

Die Identifizierung von Wilhelm Besslich als Psychiatriepatient basierte auf einer im Landeshauptarchiv Koblenz ausgewerteten Krankentransportliste des Datums 15. August 1939. An diesem Tag fuhr ein Autobus von dem Trierer Krankenhaus der Barmherzigen Brüder einen Sammeltransport mit Patienten ihrer Psychiatrieabteilung nach Andernach in die dortige Heil- und Pflegeanstalt. In dem mit mindestens 70 Personen vollbesetzten Autobus saßen hinter milchverglasten Scheiben außer Wilhelm Besslich achtzehn weitere Kranke, deren Schicksal durch das bisherige Gedenkprojekt bekannt wurde (Nachnahmen wie folgt): Baden, Becker, Hoffmann, Jakobs, Koch, Koster, Laloire, Maes, Martini, Masselter, Meyer, Mischo, Müller, Stadtfeld, Valentin, Wetzstein und Zender.

Bei den weiteren Biografie-Forschungen kooperierte die am Max-Planck-Gymnasium im Schuljahr 2012 von Frau Gesche Klein-Menke betreute Stolperstein-Projektklasse. Nachfolgende Angaben sind der im Landeshauptarchiv Koblenz überlieferten Krankenakte übernommen. Wilhelm Besslich war der Sohn von Margarete Besslich geb. Krümer und Nikolaus Besslich, einem katholisch getrauten Ehepaar aus dem Trierer Vorort Pfalzel. Er arbeitete als „Notariatsgehilfe“. Wie lange und bei welchem Arbeitgeber ist der Akte nicht zu entnehmen.

Bei seiner Einweisung in die Heilanstalt der Barmherzigen Brüder an 14. April 1925 stand er bereits unter der Pflege-Vormundschaft eines Angehörigen Namens Philipp Besslich, über dessen Verwandtschaftsgrad ebenfalls keine Angaben vorliegen. Zu der Einweisung attestierte der diensthabende Krankenhausarzt Dr. Woitas an Wilhelm Besslich den Befund „Metencephalitis“, eine an wiederholt auftretenden „Blickkrämpfen“ diagnostizierte hirnpathologische Nervenerkrankung. Davon abweichend lautete der Krankheitsbefund im Frühjahr 1938 (14. April) „Post-Enzephalitis“, wobei an Wilhelm Besslich außer den „Blickkrämpfen“ weitere Nervenanspannungen an seiner Gesichtsmuskulatur und an den Extremitäten beobachtet worden waren.

Inwieweit an Wilhelm Besslich Verträglichkeitsuntersuchungen mit dem homöopathischen Medikament Bella Donna durchgeführt worden sind (siehe Krankenakten-Eintrag vom 14.4.1938), die in eine reichsweite Verträglichkeitsstudie einflossen (vgl. Jütte 2014), ist bislang nicht erwiesen.

Von den erstdatierten Krankheitsrapporten aus Trier unterscheiden sich die an Wilhelm Besslich nach seiner Verlegung in Andernach protokollierten erheblich, sowohl in formaler wie in inhaltlicher Hinsicht. Beginnend mit der Eintragung des Verlegungstransportes nach Andernach erfolgten die Eintragungen nicht mehr mit Schreibmaschine, sondern wurden handschriftlich verfasst, ganz offensichtlich unter erhöhtem Zeitdruck. Hiervon zeugt einmal die nachträgliche Verbesserung des Transportdatums.

Die in der Folge schwer lesbaren, viel kürzer und in größeren Zeitabständen verfassten Eintragungen weisen auf der formalen Ebene ebenfalls hin auf eine systematische Vernachlässigung der Anstaltskranken in Andernach. Vor dem Organisationshintergrund der Krankenmord-Aktion T 4 landete ein zweiter Buchungsfehler in Wilhelm Besslichs Krankenakte. Wegen einer Namensverwechslung war eine gar nicht an ihn gerichtete Besucheranfrage eingelegt worden. Aus der nachträglich vermerkten Fehlerkorrektur ergibt sich ein interessanter Aufschluss auf die stressige Hektik der Verwaltungsabteilung, die allein in jenem Monat August 1939 vier große Räumungstransport auf ihren Schreibtischen abwickelte.

„Bei der Überführung von Kranken aus der Anstalt Trier in die Anstalten Andernach (15.08.1939 T.S.) und Bedburg-Hau (3.09.1939 T.S.) ist eine Verwechslung von 2 Kranken mit gleichem Namen vorgekommen.“

Die letzten Eintragungen mit der zitierten Sterbebeurkundung des Sonderstandesamtes waren – wie bei den vergleichbaren Kranken-Mord-Beispielen hier oben/unten – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Falschangaben zur Verschleierung des organisierten Krankenmordes.

Deckblatt der Patientenakte von Wilhelm Besslich, Quelle: Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 426,6 Nr. 17244
Abb. 2 Deckblatt der Krankenakte

Letzte Seite der Patientenakte von Wilhelm Besslich, Quelle: Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 426,6 Nr. 17244
Abb. 3 Krankenakte: Eintragungen 1937 bis 1939

 

Dokumentation der Krankengeschichte von Wilhelm Besslich anhand seiner Patientenakte (Auszüge)

14. April 1925      Aufnahme in Trier mit Diagnose „Metencephalitis“ von Dr. Woitas
 
17.10.1937: Zustand des Patienten in letzter Zeit merklich besser. Steht fast regelmäßig morgens auf, den größten Teil des Tages außer Bett, nimmt an allem Anteil, macht fleißig Bewegungsübungen. Die „Blickkrämpfe“….treten objektiv seltener und weniger heftig und langandauernd auf. Subjektives Befinden besser, ist aufgeräumt und guter Dinge, scherzt, vergnügt sich mit den Mitkranken..
 
20.10.1937: Kommt in letzter Zeit mehrere Male mit Klagen über Zahnschmerzen.
 
14.4.1938: Patient bietet das typische Bild der Postencephalitis. Salbengesicht, Zittern der Gesichtsmuskulatur, vor allem der Augenlieder, Ataxie und feinschlägiger Tremor der Extremitäten. Muss dauernd gefüttert werden. Die Sprache ist noch relativ deutlich. Bisweilen treten starke „Augenkrämpfe“ auf. Patient muss dann einige Tage das Bett hüten, während er sonst fast immer gut gelaunt und freundlich im Sofa sitzt.
 
14.10.1938: Auf verschiedene Belladonna-Präparate spricht der Patient nur wenig an. Nach anfänglicher Besserung kommt immer wieder ein Rückschlag. Der Patient liegt meist mit verkrampften Händen und Füßen zu Bett, kann sich allein nicht fortbewegen. Ist meist zufrieden.
 
12.5.1939: erstmals handschriftlich (zuvor Maschinenschrift): Im Befinden keine Änderung. Tageweise schlechter, auch psychisch, altersschwach. In neuester Zeit zufrieden und gut zu haben (Sich statt „halten“, T.S.) Muss wie ein kleines Kind gepflegt und behandelt werden.
 
15.3.8.39 überführt nach Bedburg-Hau Andernach (Streichungen sic, T.S.)
 
6.9.1941 Beurkundung des Sterbedatums beim Sonderstandesamt Andernach mit Angabe der Todesursachen chron. Gehirnentzündung, Körperliche Hinfälligkeit, Kreislauferschöpfung bei fiebralem Darmkatarrh und Herzmuskelentartung
 

Quellen

Landeshauptarchiv Koblenz: Best. 426,006 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach Nr. 20753 „Krankentransporte“ Männer A-Z und „Krankentransporte“ Frauen A-Z

Landeshauptarchiv Koblenz Best. 426.006 Nr. 17244 Patientenakte Wilhelm Besslich

Literatur

Heinz Faulstich: : Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949: mit einer Topografie der NS-Psychiatrie. Freiburg/Breisgau 1998

Günter Haffke: Die Rolle der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Andernach bei der nationalsozialistischen „Euthanasie“. In: Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation (Hrsg.): „….Wir waren samt und sonders gegen die Durchführung der Euthanasie-Aktion. Zur NS-Euthanasie im Rheinland. Münster 2009, S. 87-108

125 Jahre Rhein-Fachklinik Andernach. Festschrift zum 125-jährigen Gründungsjubiläum 2001

Robert Jütte: Homöopathie und Nationalsozialismus: Letztendlich keine Aufwertung der Homöopathie. In: Deutsches Ärzteblatt 111 (8) 2014, S. A-304

Gesche Klein-Menke: Den Opfern ihre Namen zurückgeben. In: Max-Planck-Gymnasium Trier: Jahrbuch 2012/2013, S. 162-163

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