23.08.23: Degen: Auch in Bethel gab es Euthanasie – Das belegen neueste Forschungsergebnisse.

Gastbeitrag von Wolfgang Lewe

Auch in Bethel hat es während der NS-Zeit neuesten Forschungsergebnissen zufolge Euthanasie gegeben. Dies betonte die Euthanasie- und Bethel-Forscherin Dr. Barbara Degen in einem Interview mit dem Blog-der-Republik. Die Juristin und Historikerin Degen hat herausgefunden, dass in Bethel tödliche Menschenversuche, insbesondere an Säuglingen und Kindern, durchgeführt wurden. Bethel selber habe diese historischen Fakten bisher stets verschwiegen, so Barbara Degen, die unter anderem Autorin des Buches „Bethel in der NS-Zeit. Die verschwiegene Geschichte“ ist.

Frage: Frau Degen, Sie konzentrieren ihre Forschung fast ausschließlich auf die während der nationalsozialistischen Zeit größte evangelische Krankenanstalt Bethel (Bielefeld, Ortsteil Gadderbaum). Wie kam es dazu? Gab es einen konkreten Anlass?

Degen: Sie haben Recht: In den letzten Jahren habe ich mich auf die Bethelforschung konzentriert. Mein Großvater ist 1941 aus der größten katholischen Caritas-Anstalt Branitz OS. (heute Branice) deportiert und in Waldheim/Sachsen ermordet worden. Darüber habe ich ebenfalls ein Buch geschrieben und war deshalb schon an der „Euthanasie“-Frage interessiert.

2010/2011 hatte ich eine Gastprofessur an der Universität Bielefeld. Damals war fast einhellige Meinung in der Literatur, dass die von Bodelschwinghschen Stiftungen in der NS-Zeit Widerstand geleistet haben. Ich wollte ursprünglich herausfinden, wie eine so große christliche Anstalt in der NS-Zeit erfolgreich Widerstand leisten konnte. Dazu war es notwendig, überhaupt erst einmal zu klären, was in der Anstalt in der NS-Zeit genau geschehen ist.

Frage: Bei Ihren Forschungen konnten Sie ermitteln, dass in dem dortigen Kinderkrankenhaus „Sonnenschein“ (ca.100-120 Betten) in der Zeit zwischen 1933 und 1945 über 2000 behinderte und nichtbehinderte Kinder verstorben sind. Woran starben diese Kinder? Gibt es eine Auflistung der Todesursachen?

Degen: Ja, die gibt es. Die Liste beruht auf den Ein- und Ausgangsbüchern des Kinderkrankenhauses, ich habe sie 2014 veröffentlicht. Von den 2069 toten Säuglingen in diesem Zeitraum starben 1614 im ersten Lebensjahr, das sind 78 % in der gesamten NS-Zeit. Die Mehrheit von ihnen starb zwischen 1938 und 1945 und zwar über 83 % in den ersten Lebenswochen und Monaten. Die Aufschlüsselung hat ergeben, dass alle Frühgeburten und alle mongoloiden Kinder im ersten Lebensjahr gestorben sind, ebenso wie alle Säuglinge mit der amtlichen Todesursache „Lebensschwäche“ und „Ernährungsstörungen“.

Von den Säuglingen mit Lungenkrankheiten starben 267 Kinder und zwar nicht in dem Infektionskrankenhaus „Samaria“ in Bethel, sondern in dem Kinderkrankenhaus. Im Kinderkrankenhaus waren die Säuglinge dem Tode geweiht. Derart hohe Todeszahlen sind bislang nirgendwo in anderen Krankenhäusern oder -heimen gezählt worden. Die Zahlen sind inzwischen von dem Bethelforscher Karsten Wilke und der Forschungsgruppe um Claus Melter an der Fachhochschule Bielefeld nachrecherchiert, präzisiert und bestätigt worden.

Frage: Auch bei den behinderten Kindern in den Pflegehäusern sowie bei den erwachsenen Patienten und Pfleglingen gab es – Ihren Erkenntnissen zufolge – eine überproportionale hohe Todesrate. Gibt es Hinweise darauf, dass diese der Euthanasie zum Opfer fielen? Wenn ja, welche Hinweise führen zu dieser Vermutung. Können Sie das konkretisieren? Bekanntlich hat von Bodelschwingh in der NS-Zeit nach Bethelmeinung die „Euthanasie“ kategorisch abgelehnt.

Degen: Diese Bethelposition entspricht nicht der Faktenlage. Aus den Bethelunterlagen des Hauptarchivs geht hervor, dass Bethelmitarbeiter mit den wichtigsten T4-Akteuren (das war der Rechtsausschuss in der Kanzlei des Führers, zuständig für Kinder-Euthanasie) verhandelt haben, u.a. hat von Bodelschwingh selbst mehrfach mit dem obersten „Euthanasie“-Beauftragten Karl Brandt gesprochen. Von Bodelschwingh selbst hat sich für ein „Euthanasiegesetz“ und für sog. Zwischenanstalten ausgesprochen. Sie waren Zwischenorte für die jeweiligen Tötungsanstalten und Gaskammern.

Über die Gespräche zwischen Brandt und Bodelschwingh gibt es keine Protokolle beider Seiten, sondern nur die bekannte Position Bodelschwinghs, er sei gegen die „Euthanasie“ gewesen. Anneliese Hochmuth, eine Bethelmitarbeiterin, hat eine handschriftliche Liste Bodelschwinghs gefunden, aus der sich ergibt, dass er bereit war, die Schwächsten zu opfern, zum Beispiel 60 Kinder aus „Patmos“, des Pflegehauses für behinderte Kinder. Ich habe keinen Zweifel daran, dass auch in den Pflegehäusern Kinder „Euthanasie“-Opfer geworden sind, nachdem ich viele Krankenakten von Kindern und Jugendlichen untersucht habe.

Frage: Falls ja, welche Hinweise führen zu dieser Vermutung? Können Sie das konkretisieren?

Degen: Viele dieser Kinder sind an Unterernährung gestorben. Besonders häufig werden bei diesen Kindern als Todesursachen „angeborener Schwachsinn“, Epilepsie und Missbildungen angegeben, in der NS-Zeit tödliche Diagnosen. Es sind typische – oft vorgetäuschte – Todesursachen, die auch aus den sog. Kinderfachabteilungen an anderen Orten bekannt sind. Aus den Akten ergibt sich außerdem, dass diese Kinder mit „Luminal“, also starken Beruhigungsmitteln behandelt wurden. Die auch in der NS-Zeit rechtlich erforderliche Einwilligung der Eltern an diesen „Behandlungen“ fand sich in keiner Akte.

Ein Forscher zu den Kinderfachabteilungen, Raimund Reiter, hat 2011 einen 10 Punkte umfassenden Kriterienkatalog erstellt, wie sich feststellen lässt, ob Kinder bewusst getötet worden sind. In Bethel werden diese Kriterien für die Pflegehäuser erfüllt. Für die Kinder hatte Bethel mit den obersten Spitzen der NS-„Euthanasie“ vereinbart, dass die Kinder in Bethel bleiben könnten. Von ihnen starben nach dem Leitenden Arzt Gerhard Schorsch „ über die Hälfte aller Kinder vor der Pubertät“ und 30 – 40 % waren nach seiner Aussage vor ihrem Tod bereits „toxisch identifiziert“.

Außerdem war von Bodelschwingh der zuständige Pastor für das Kinderkrankenhaus. Er hat bis 1944, also bis vor Kriegsende, auf die gute Versorgungslage in Bethel hingewiesen. Natürlich muss er die Unterernährung der Kinder und Säuglinge, die häufige Todesursache „Ernährungsstörungen“ und Vergiftungssymptome, gekannt haben. Er war schließlich schon seit 1910 Anstaltsleiter.

Zwangssterilisationen

Fraqe: Bei Ihren Untersuchungen stellten Sie über 1600 Zwangssterilisationen und Verlegungen „unheilbarer Kranker“ fest, die schließlich zum Tod der jüdischen Pfleglinge und besonders schutzbedürftiger, nicht arbeits- und gemeinschaftsfähiger Menschen in Hadamar, Brandenburg-Görden und auch Gütersloh führten.

Degen: Die jüdischen Patienten und Patientinnen waren die ersten, die im September 1940 aus Bethel deportiert und in Brandenburg-Görden vergast wurden. Ihnen folgten in der Hauptdeportationsphase, der „Euthanasie“ nach der Schließung der Gaskammern ab Herbst 1941, Verlegungen aus Bethel z.B. nach Lengerich und Gütersloh. Von diesen Patienten starben z.B. 13 in Gütersloh und weitere in Hadamar, Dachau und in Meseritz-Obrawalde.

Ab 1941 erfolgte eine weitere Deportationswelle, diesmal in die Anstalt. So wurden in der NS-Zeit 50 Kinder aus der protestantischen Anstalt Rickling in Schleswig-Holstein nach Bethel deportiert. 26 von ihnen starben in der NS-Zeit. Die Kosten wurden von Bethel mit der T4 abgerechnet.

Frage: Sind Ihrer Ansicht nach Zwangssterilisationen und Verlegungen als Vorstufe in die Phase der Euthanasie zu sehen?

Degen: Ja, ich verstehe nicht, wie man daran bei allem, was wir über die verbrecherische Seite der NS-Zeit wissen, zweifeln kann. Eugenisches Denken und „Rassenhygiene“ waren spätestens seit Ende des 1.Weltkrieges die wichtigsten Komponenten in der Bevölkerungspolitik der NSDAP und der konservativ-reaktionären Wissenschaft nach dem Prinzip von „Auslese“ und „Ausmerze“, nämlich die Orientierung an den angeblichen Erbanlagen der Patienten und Patientinnen. Die Forderung nach Zwangssterilisationen, die „Euthanasie“, und nach Menschenversuchen, Zwangssterilisationen, Ermordungen und tödliche Menschenversuche sind bis zum Kriegsende parallel durchgeführt worden.

Der Radikalisierungsprozess spiegelt sich auch in den rechtlichen Entwicklungen wider. 1935 wurde gesetzlich geregelt, dass „Abtreibung“ nach dem Gesetz zur Zwangssterilisierung zulässig ist. Wenige Wochen später wurde diese Möglichkeit bis zur Geburtsphase, nämlich vor und nach der Geburt ausgedehnt. Es gab also eine rechtliche Erlaubnis für das, was im Betheler Kinderkrankenhaus exzessiv geschehen ist.

Die Orientierung der evangelischen Kirche an dem Gehorsam gegenüber der Obrigkeit (Römer 13) war in diesen Anstalten, vor allem auch in Bethel, das Einfallstor für die Umsetzung der verbrecherischen Entwicklung. Die staatlichen NS-Rechtsgrundlagen für die Tötung von Säuglingen und Kindern und die Menschenversuche wurden bereits in der NS- und später in der Nachkriegszeit bewusst geheim gehalten, wie z.B. die medizinischen Lehrbücher der NS-Zeit zeigen, die offen über die Notwendigkeit der Zwangssterilisierung, nicht aber über die intern propagierte Notwendigkeit von Spätabtreibungen und die Tötung von Säuglingen und Kindern schreiben. Bis zum Kriegsende wurden Zwangssterilisationen und Ermordungen parallel durchgeführt.

Menschenversuche

Frage: Gab es medizinische Menschenversuche in Bethel?

Degen: Mit dem Aufstieg der Rassenhygiene und der Eugenik ab dem 19.Jahrhundert wurden auch die medizinischen Versuche an Menschen zu einer gefährlichen Waffe. Der preußische Staat verlangte ab 1900 die Einwilligung der Betroffenen. 1931 erließ das Deutsche Reich darüber hinaus eine Richtlinie, die nicht nur die Zustimmungspflicht der Betroffenen stärkte, sondern auch u.a. verbot, „Versuche an Kindern und Jugendlichen Personen unter 18 Jahren vorzunehmen, wenn sie das Kind oder den Jugendlichen auch nur im geringsten gefährden.“

Diese staatlichen Schutzmaßnahmen wurden in der NS-Zeit ignoriert. Während der NS-Zeit blieben die strafrechtlichen Bestimmungen des Strafgesetzbuches weitgehend in Kraft. Allerdings wurde im September 1941 der Mordparagraph § 211 StGB geändert. Bis zu diesem Zeitpunkt bestimmte § 211 StGB: „Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet wird, wenn er die Tödtung mit Überlegung durchgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft“ und durch die noch heute gültige Definition des Mordes ersetzt. Das bedeutete einen Freibrief für menschenfeindliche verbrecherische Medizinversuche.

Ab 1946 erklärten die Alliierten in den Nürnberger Prozessen, insbesondere auch die Ärzteprozesse die nationalsozialistischen Menschenversuche als Verbrechen, als Verstoß gegen elementare Menschenrechte und verurteilten die Täter, u.a. auch Karl Brandt zum Tode, andere zu hohen Freiheitsstrafen.

Frage: Bethel war und ist eine evangelische, diakonisch ausgerichtete Krankenanstalt. Wie lässt sich das alles mit dem Gebot der Nächstenliebe vereinbaren?

Degen: Das nationalsozialistische Bethel kannte weder aus dem Aspekt christlicher Nächstenliebe, noch aufgrund des biblischen Tötungsverbotes Skrupel und handelte ohne Einwilligung. Der Betheler Chefpathologe, der Anfang der 50er Jahre in die Anstalt kam, wertete die Betheler Unterlagen aus der NS- und Nachkriegszeit zur Hirnforschung, zu „angeborenem Schwachsinn“ und zur „Epilepsie“ über 30 Jahre lang aus. Sie wurden in offiziellen Bethelquellen, auf Tagungen und Tätigkeitsberichten durch die 1955 neu gegründete „Gesellschaft für Epilepsieforschung e.V., Bethel veröffentlicht. Sie gab als „Gründungsvater“ Fritz von Bodelschwingh an.

Schwerpunkt war dabei die Hirnforschung der NS-Zeit an „Schwangeren, Totgeborenen, Frühgeburten und Säuglingen“, die 1970 in Bethel bekannt gemacht wurden. Sie beruhten bei der Hirnforschung auf über 3000 Obduktionen in Bethel, hauptsächlich aus der NS-Zeit, aber auch in geringerer Zahl aus der Nachkriegszeit und hatten zum Ziel, die Hirnforschung dieser Gruppe (insgesamt 450) mit der Gruppe von 450 chronisch-kranken Epileptikern zu vergleichen, um Krampfschädigungen des Gehirns herauszufinden. Verglichen wurden bei diesen Versuchen die Gehirne der Schwangeren und der „Missgebildeten“ mit den Gehirnen der verstorbenen chronisch epilepsiekranken Patienten, z.B. auch mit den Hirnschäden bei Wohnungs- und Obdachlosen. Bei der Vergleichsgruppe der „Missgebildeten“ fanden die auswertenden Forscher keine Hirnschäden. In der Nachkriegszeit wurden auch Einzelfälle untersucht und Bilder von Gehirnen von Kindern veröffentlicht.

Frage: Gibt es weiteres Informationsmaterial über die hohen Todeszahlen von Säuglingen und Kindern und die Forschungen dazu?

Degen: Die Forschungen in Bethel, die sich in von Bethel herausgegebenen Broschüren nachlesen lassen, erklären die hohen Todeszahlen und die Forschungsergebnisse zu den Säuglingen im Kinderkrankhaus und den toten Kindern in den Pflegeheimen. Das Kinderkrankhaus war ein Ort verbrecherischer Selektion und des Mordes an den Kindern. Das bestätigen auch die Schriften des Chefarztes des Kinderkrankenhauses, Fritz von Bernuth, eines Antisemiten und strikten Anhängers der „Rassenhygiene“. Er war gleichzeitig der Leiter der staatlich anerkannten Säuglingspflegeschule in Bethel und hat detailliert zu seiner NS-Position der Behandlung von Säuglingen und Kleinkindern bei der Ernährung und den Behandlungsmethoden in seinen Schriften, z.B. in seinem Lehrbuch von 1940 geschrieben.

“Abwehrforschung”

Frage: Wie bewerten Sie die Haltung der Bodelschwinghschen Anstalten zum NS-Staat?

Degen: Kurz zusammengefasst: Nach meiner Meinung sind die Bethelleitung und die führenden Bethelhistoriker nicht in der Lage, eine kritische, überparteiliche, interdisziplinäre und unabhängige Forschung zu akzeptieren, selbst zu betreiben bzw. zu finanzieren. Sie halten an dem Primat ihrer eigenen Definitionsmacht fest. Ein kritischer „Euthanasieforscher“ hat das vor kurzem „Abwehrforschung“ genannt. Es ist gleichzeitig eine Forschung des bewussten Verschweigens der verbrecherischen Seite in der NS-Zeit. Eine solche Forschung verhindert eine lückenlose und schonungslose Aufklärung der eigenen Verbrechensbeteiligung in der NS-Zeit.

Frage: Was geschah nach 1945 mit dem medizinischen Führungspersonal und besonders den NS-Tätern?

Degen: Sie konnten durchgängig in der Anstalt weiterarbeiten. Es gab zwar eine Reihe von Entnazifizierungsverfahren, schließlich waren alle führenden Ärzte in der NSDAP, die dortigen Theologen hatten 1938 den Treueeid auf Hitler geleistet. Die Entnazifizierungsverfahren entlasteten sie jedoch.

Frage: Gab es nach Ende des Krieges eine Aufarbeitung der von ihnen beschriebenen Tatbestände?

Degen: Im Sinne der Abwehrforschungen wurden zwar viele Themen aufgegriffen, aber jeweils verharmlosend und beschönigend dargestellt. Grundmotto war, „Der gute Ruf der Anstalt und die Spendenpolitik darf nicht beschädigt werden.“ In Bezug auf das Kinderkrankenhaus hat die Bethelleitung erklärt, die Fragen seien geklärt. Im Klartext: Man müsse sich also damit nicht mehr beschäftigen.

Frage: Wie reagierten die Verantwortlichen in Bethel auf Ihre Untersuchungen?

Degen: Sie diffamieren mich seit dem Erscheinen meines Buches 2014 in immer neuen Variationen und behinderten meinen Zugang zum Hauptarchiv. Ich bin für sie „unwissenschaftlich“ und sie akzeptieren weder meine Erkenntnisse, noch meine Recherchefähigkeiten. Sie ignorieren sie.

Frage: Wie bewerten Sie deren Stellungnahme im Internet?

Degen: Während ich selbst als Angehörige eines „Euthanasie“-Opfers tief betroffen über die Ergebnisse meiner Forschungen bin und von Albträumen geplagt werde, haben sich die Angriffe nicht verringert. Ich kann kaum fassen, dass sich eine christliche Anstalt diese Arroganz heute noch leisten kann. Schließlich sind die beiden führenden Bethelhistoriker, Uwe Kaminsky und Hans-Walter Schmuhl, fachliche Experten in der Bethel – und in der Hirnforschung. Der Vorstandsvorsitzende Ulrich Pohl ist gleichzeitig der Vorsitzende der Gesellschaft für Epilepsieforschung, er kennt also die von Bethel veröffentlichten Forschungsergebnisse.

Außerdem zeigt die Reaktion von Bethel auf die eigenen und fremden Forschungsergebnisse keinerlei Empathie für die Opfer der eigenen Politik, geschweige denn wird über eine Entschuldigung oder gar Entschädigungen nachgedacht. Das halte ich für ein Armutszeugnis einer Anstalt, die bis heute eine christliche Anstalt unter der Führung christlicher Theologen ist.

Stolperstein in Gedenken an Hilde Sommer.

Stolperstein in Gedenken an Hilde Sommer. Eingewiesen am 15.7.1943, ermordet 1.9.1943.
Der Sohn, Friedhelm Sommer, in Rheda geboren, kam extra aus Neuseeland, um in Rheda bei der Verlegung eines Stolpersteines für seine Mutter Hilde anwesend zu sein. Offiziell starb Mutter Hilde in Bethel an einer Lungenentzündung. Friedhelm war damals sechs Jahre alt. Auch sein Bruder Reinhold war bei der Verlegung des Steines in der Altstadt von Rheda dabei

Das Interview führte Wolfgang Lewe.

Zur Person:

Dr. Wolfgang Lewe, Apotheker i.R. ist Leiter des historischen Arbeitskreises beim Heimatverein Rheda. Er ist zudem Herausgeber der historischen Schriften Synagogengemeinde Rheda.

Dr. Barbara Degen ist Juristin, Euthanasie- und NS-Forscherin. Sie stammt aus Oberschlesien und wohnt in Bonn. Sie hat mehrere Bücher zu der oben erwähnten Thematik geschrieben, darunter „Bethel in der NS-Zeit- Die verschwiegene Geschichte“. „Leuchtende Irrsterne- Das Branitzer Totenbuch, Euthanasie in einer katholischen Anstalt“. „Das Herz schlägt in Ravensbrück – Die Gegenkultur der Frauen“.

Anmerkung: Das Interview erschien zuerst auf Blog-der-Republik.de und wird hier im Volltext widergegeben mit freundlicher Genehmigung der Beteiligten.

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