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Pressemitteilung

Bundestag gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar

„Opfer kommen nicht zu Wort“ – Breites Bündnis aus Betroffenen-Verbänden und Medizin-Fachleuten kritisiert mangelhafte Einbindung von euthanasiegeschädigten und zwangssterilisierten Menschen in den Gedenktag

Berlin 18.01.17 – Seit 1996 gedenkt der Deutsche Bundestag am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, der Opfer des Nationalsozialismus. In diesem Jahr soll der Opfer von Zwangssterilisation und Euthanasie gedacht werden. Ein breites Bündnis aus Betroffenen-Verbänden und Medizin-Fachleuten kritisiert den Bundestag, dass die noch lebenden Opfer nur als Zaungäste eingeladen wurden und renommierte Persönlichkeiten wie z.B. Dorothea Buck gar keine Einladung erhielten.

Die 1917 geborene Dorothea Buck wurde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses mit der Diagnose Schizophrenie im Alter von 19 Jahren zwangssterilisiert. 1941 entging sie nur knapp der Euthanasie in der Frankfurter Universitätsklinik. Dorothea Buck ist eine Ikone der bundesdeutschen Psychiatrieerfahrenen-Bewegung und hat 1987 zusammen mit Klara Nowak den „Bund der ‚Euthanasie’geschädigten und Zwangssterilisierten“ gegründet. „Sie wurde weder eingeladen noch darf sie etwas zu dieser Gedenkstunde beitragen“, kritisiert das Bündnis. „Die jetzige Geschäftsführerin des Bundes der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten, Margret Hamm, darf nur als Zaungast auf der Ehrentribüne dieser Alibi-Veranstaltung beiwohnen.“

„In unseren Augen legt die Planung und Gestaltung dieser Gedenkstunde beredtes Zeugnis davon ab, wie in unserer Gesellschaft nach wie vor mit Menschen umgegangen wird, die vermeintlich nicht der Norm entsprechen“, so die Betroffenen-Verbände und Medizin-Fachleute. „Nicht zufällig ist diese Opfergruppe nach wie vor nicht als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt, obwohl das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses eindeutig die Merkmale eines Rassegesetzes trägt.

Wir hoffen für die Zukunft, dass wir nie wieder in einer Gesellschaft werden leben müssen, die Menschen in ‚lebensunwert‘ und ‚lebenswert‘, in ‚minderwertig‘ und ‚hochwertig‘ einteilt.“

Unterzeichnerinnen und Unterzeichner:

  • Prof. Dr. Thomas Bock, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
  • Fritz Bremer, Brücke Neumünster gGmbH
  • Renate Bublitz, 2. Vorsitzende des Landesverbandes Hamburg der Angehörigen psychisch Kranker
  • Maria Canovai, für die Westfälische Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
  • Petra Derler, EX-IN-Begleiterin, Wien
  • Ruth Fricke, Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V.
  • Prof.in Friederike Götz, Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg
  • Dr. Henning Hallwachs, Vorsitzender des Vereins irre menschlich e.V.
  • Poul Erik Hansen, Gründer Dorothea-Buck-Haus
  • Dr. med. Charlotte Köttgen, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Kinder- und Jugenpsychiatrie/-psychotherapie, ehemals Leiterin des Jugendpsychiatrischen-, psychologischen Dienstes im Landesjugendamt Hamburg
  • Anke Korsch, Landesverband Psychiatrieerfahrener Hamburg
  • Dr. med. Hans Jochim Meyer, Vorsitzender des Landesverbandes Hamburg der Angehörigen psychisch Kranker
  • Klaus Nuißl, EX-IN Genesungsbegleiter/Trainer, Dipl.-Psych, Irren ist menschlich e.V.
  • Dr. Klaus Obert, Caritasverband für Stuttgart e.V.
  • Philipp Osten, Medizinhistoriker
  • Alexandra Pohlmeier, Regisseurin
  • Sibylle Prins, Autorin (für die Sozialpsychiatrischen Informationen)
  • Dietmar Rottmann, Krankenpfleger B.A. Psychiatrische Pflege
  • Gwen Schulz, Genesungsbegleiterin
  • Prof. Dr. habil. Michael Schulz, Fachhochschule der Diakonie
  • Gyöngyvér Sielaff, Leitung EX-IN Hamburg
  • Joachim Speicher, Geschäftsführender Vorstand, Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg e.V.
  • Wilfried Theißen, Vorstand Stiftung Gemeinsam Handeln
  • Gudrun Tönnes, LebensART/EX-IN NRW e.V.
  • Stefan Wohlfeil, Leiter Dorothea-Buck-Haus

Bei Rückfragen:

Alexandra Pohlmeier
Bleibtreustr. 10
10623 Berlin

E-Mail: pohlmeier(at)himmelundmehr.de

Ergänzende Informationen:

Ergänzende Informationen auf der Webseite des Deutschen Bundestages zum Ablauf der Veranstaltung

Gedenken an Opfer der Euthanasie: „Aufbegehren gab es wenig“
André Bochow
Märkische Onlinezeitung 27.01.17