Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten (AG BEZ)
Am 14. Juli 1933 wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (auch bekannt als Erbgesundheitsgesetz) erlassen. Es trat am 01.01.1934 in Kraft. Es war das erste Rassegesetz der Nationalsozialisten. Auf seiner Grundlage wurden bis 1945 etwa 400.000 Menschen, die an einer körperlichen oder geistigen Krankheit litten oder nur im Verdacht einer solchen standen, zwangsweise sterilisiert. Dieser Verdacht genügte, um die Betroffenen in eine Anstalt einzuweisen. Der größte Teil, der durch Meldebögen und Denunziation erfassten Menschen, war nicht erbkrank.Am 1. September 1939 ordnete Adolf Hitler durch einen persönlichen Erlass den Beginn der bereits geplanten „Euthanasie“ an. In den „Euthanasie“-Gasmordanstalten und anderen Heil- und Pflegeanstalten wurden etwa 300.000 Menschen durch Gas, Medikamente oder gezieltem Verhungernlassen ermordet.
Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte als ausgegrenzte NS-Opfer
Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte, die durch den nationalsozialistischen Massenmord an Kranken, Behinderten und sozial Stigmatisierten ihre nächsten Angehörigen verloren haben, gehören zu den ausgegrenzten NS-Opfern und sind bis heute nicht den anerkannten NS-Verfolgten gleichgestellt. Sie tragen zudem schwer an dem Vorurteil, sie selbst oder ihre Familien seien „minderwertig“ oder „lebensunwert“ gewesen.
Die Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten (AG BEZ), bis Ende 2009 unter dem Namen Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten e.V. (BEZ) bekannt, setzt sich für die Rehabilitierung der Opfer ein und wendet sich gegen das Vergessen des erlittenen Unrechts.
Mehr Informationen zu uns und den Inhalten dieser Seiten finden Sie ausführlich in der Einführung.
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25.07.24: B2-Radioreportage: „Der lange Schatten in den Familien – Euthanasie und Zwangssterilisationen unter den Nationalsozialisten“
Am 14. Juli 1933, vor 91 Jahren, erließen die Nationalsozialisten ein Gesetz, das die Zwangssterilisation angeblich erbkranker Personen ermöglichte. Der Radiosender Bayern 2 hat dazu am 18.07.2024 eine hörenswerte Reportage veröffentlicht. Dabei wird auch Margret Hamm von der AG-BEZ interviewt. Der 22-minütige Beitrag ist online als Podcast abrufbar.
Hinweis zum Podcast: Der Radio-Beitrag berichtet sehr empathisch und erzählt eindrücklich die Lebensgeschichte des Opfers. Es ist nur, wie ganz oft bei solchen Interviews, der Inhalt/Sachverhalt des Gesprächs mit Frau Hamm nicht ganz richtig wiedergegeben. Die Zwangssterilisierten und die Angehörigen der „Euthanasie“ Opfer sind schon sehr lange als Opfer des NS anerkannt. Es fehlt noch ihre Anerkennung als Verfolgte, die die Bundesregierung nach wie vor verweigert. Die Unterscheidung zwischen Opfer und Verfolgte ist aber wesentlich, da davon ihre vollständige Rehabilitation abhängt.
(Siehe dazu: Andreas Scheulen, Von der Verfolgung zur Entschädigung, S. 161 bis 176 in: Hamm Margret (Hrsg.), Ausgegrenzt warum? Zwangssterilisierte und Geschädigte der NS-„Euthanasie“ in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2017)
16.07.24: Kommentar AG BEZ zum Bundestag-Antrag „Opfer von NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation – Aufarbeitung intensivieren“ (Drucksache 20/11945)
In einem gemeinsamen Antrag (Drucksache 20/11945) sprechen sich die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Deutschen Bundestag dafür aus, die Aufarbeitung der „Euthanasie“ und der Zwangssterilisationen während der nationalsozialistischen Diktatur zu intensivieren. Konkret werden dazu verschiedene Vorhaben zur Umsetzung genannt.
Der Antrag wurde am 27.06.24 erstmals im Deutschen Bundestag debattiert und am 03.07.24 vom Kulturausschuss gebilligt. Die AG BEZ hat zu dem Vorhaben einen ausführlichen kritischen Kommentar veröffentlicht.
20.06.24: Zeittafel zur Entschädigungspolitik für Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte ergänzt
Ende 2016 haben wir eine umfangreiche Zeittafel zur Entschädigungspolitik für Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte von 1953 bis heute veröffentlicht. Diese Zusammenstellung wurde wie jedes Jahr ergänzt bezüglich Entschädigungsleistungen ab 01.12.2023.
Die AKG-Härtebeihilfe wurde rückwirkend zum 01.12.2023 auf 667,00 Euro erhöht. Die Nachzahlung wurde zum Monat Juni den Berechtigten bereits ausgezahlt. Im Juni 2024 lebten noch 13 beihilfeberechtigte Zwangssterilisierte und ein „Euthanasie“-Geschädigter.
» Zur Zeittafel zur Entschädigungspolitik für Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte
07.06.24: AG BEZ Wanderausstellung „Lebensunwert – zerstörte Leben“ wieder ausleihbar
Auf mehrfachen Wunsch hin haben wir jetzt unsere Wanderausstellung „Lebensunwert – zerstörte Leben“ auf Roll-Ups drucken lassen. So können die schweren Originaltafeln weiterhin im Landesarchiv NRW-OWL ruhen/verwahrt werden (siehe unten).
Es freut uns natürlich, dass das Interesse an dem Ausstellungsthema noch vorhanden ist. Die Gelder für den Druck hat die Geschichtswerkstatt Offenbach eingeworben und finanziert hat es die Organisation „Demokratie leben“. Die ersten Stationen waren das Rathaus der Stadt Mühlheim am Main. Am 17. Juni 2024 wird sie am Oberlandesgericht Hamm gezeigt und wandert dann an die Justizakademie NRW in Recklinghausen.
» Mehr zur AG BEZ Wanderausstellung „Lebensunwert – zerstörte Leben“ und zur Ausleih-Möglichkeit
07.05.24: Film: „Was einmal war, ist immer noch“
Eine Video-Dokumentation von Gemeinsam leben – Gemeinsam lernen Oberhausen in Kooperation mit dem Bürgerfunkstudio im Bert-Brecht-Haus und dem Presseklub des Jugendamtes der Stadt OberhausenOberhausen 2006, Länge: 30 Min.
Der Film wird erstmals online hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Jörg Briese, Medienpädagogischer Begleiter des Films.
Zum Inhalt:
„Du würdest heute nicht mehr leben.“ Diese Aussage beschäftigt einen jungen Mann mit Behinderung in Oberhausen. Er beginnt, Zeitzeugen und Fachleute aufzusuchen, um mehr über den Mord der Nationalsozialisten an behinderten und kranken Menschen zu erfahren.
Im Rahmen des sogenannten „Euthanasie-Programms“ wurden von 1939 bis 1945 in Deutschland zehntausende Menschen gequält und ermordet. Auch in Oberhausen sind solche Verbrechen verübt worden. Der Film „Was einmal war, ist immer noch“ beschäftigt sich mit diesen Geschehnissen und zeigt an konkreten Beispielen, welches Leid den Betroffenen und ihren Angehörigen zugefügt wurde. Bis heute wirken die Folgen der Jahre 1939 bis 1945 nach, umso wichtiger sind genaue Blicke auf diesen Teil verdrängter deutscher Geschichte.
Quelle: Presseklub Oberhausen, Text zur Veranstaltung „Filmreihe aus dem Archiv des Jugend-Medienprojekts“ am Sonntag, 21. April 2024, 18:00 Uhr im Unterhaus in Oberhausen
» Zum Film: „Was einmal war, ist immer noch“
11.12.23: Vorstellung der Forschungen der Lancet- Kommission zur Medizin im Nationalsozialismus
Am 14. November 2023 wurden in der Charité Berlin die Forschungsergebnisse der zweijährigen Arbeit von zwanzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgestellt. Das Thema der Forschung war: „Medicine, Nazism, and the Holocaust: Historical Evidence, Implications for Today, Teachings for Tomorrow“.
Die Arbeitsgemeinschaft BEZ wurde gebeten ein Statement zu den Ergebnissen abzugeben.
Veranstaltungen |
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Aktuelle Bücher / Fachartikel |
Neue Ausgaben des Newsletter Behindertenpolitik
Hier gibt es die Ausgaben des „Newsletter Behindertenpolitik“, Beilage der Zeitschrift „Bioskop“, vollständig ab 2018. Darin sind immer wieder lesenswerte Beiträge zu aktuellen themenrelevanten Debatten zu finden. Diese gibt es rückwirkend ab 2008.
» Zum Newsletter Behindertenpolitik
Ermordet in Bethel
Neue Forschungen zu Säuglingssterblichkeit und Hirnforschung in der NS-Zeit
Verlag: Beltz Juventa
Broschiert, 254 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-7799-8014-8
Zum Inhalt:
Die neuesten Forschungsergebnisse zu Säuglingssterblichkeit und Hirnforschung in der NS-Zeit werden in diesem Band präsentiert. Marion Keßler stellt in einer Dokumenten- und Faktorenanalyse fest, dass bis Ende 1943 ausschließlich »eugenische« Einflüsse auf die erhöhte Säuglingssterblichkeit in Bethel bedeutsam waren, während Nahrungs- und Medikamentenmangel sowie Infektionen nicht nachgewiesen wurden.
Barbara Degen präsentiert bahnbrechende Forschungsergebnisse zur Säuglingseuthanasie, Hirnforschung und zu Medikamentenversuchen. Claus Melter beleuchtet die grausamen Morde an als jüdisch, Rom*nja, Sinti*zze und »behindert« kategorisierten Säuglingen sowie das systematische Töten von Säuglingen im Kinderkrankenhaus »Sonnenschein« in Bethel im Nationalsozialismus.
» Mehr Infos und Bestellmöglichkeit beim Verlag
Ausschluss und „Euthanasie“ gestern – Sterbehilfe und Teilhabe heute.
Leben mit dem Stigma
Margret Hamm (Hrsg.)
Verlag: Metropol-Verlag; 1. Edition (3. Februar 2023)
Taschenbuch: 351 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3863316853
Zum Inhalt:
Initiiert vom „Bund der ‚Euthanasie‘-Geschädigten und Zwangssterilisierten“, wurden in den zurückliegenden Jahren Interviews mit zahlreichen Überlebenden geführt, die Ausschluss und Zwangssterilisation in der Zeit des Nationalsozialismus selbst erlitten haben, ebenso wie mit Angehörigen von Opfern der NS-„Euthanasie“, deren Familienmitglieder ermordet worden waren.
Die Autorinnen und Autoren des Bandes haben sich jeweils einem Schicksal zugewandt und die Lebens- und Leidenswege von als „lebensunwert“ Stigmatisierten nachgezeichnet und dabei ebenso differenzierte Herangehensweisen gewählt wie individuelle Perspektiven eingenommen. Ergänzt werden die biografischen Beiträge um wissenschaftliche Essays zu Themen wie dem Ehegesundheitsgesetz, zu Denunziation, Traumata, Ausschluss und Teilhabe, Sterbehilfe und Triage.
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Zwangssterilisation in Lippe und „Euthanasie“ während der NS-Zeit
Die Lemgoer Heilanstalten Eben-Ezer und Lindenhaus
von Heinrich Bax
Verlag: Lippe Verlag, 1. Edition
Erscheinungsdatum: 17. Oktober 2022
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe: 172 Seiten
ISBN: 978-3899180893
Zum Inhalt:
In Lippe wurden während der NS-Zeit nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ 740 BürgerInnen unter Zwang sterilisiert. Sie lebten in ärmlichen Verhältnissen, waren einfach gebildet und häufig auf Sozialleistungen angewiesen. Jugendliche und junge Erwachsene der Lemgoer Heilanstalten Eben-Ezer und Lindenhaus zählten zu den Betroffenen. Sie litten angeblich an „angeborenem Schwachsinn“ und sollten keine Nachkommen haben. Darüber hinaus verhungerten mindestens 37 BewohnerInnen Eben-Ezers nach ihrer Verlegung in staatliche Einrichtungen oder wurden in der „Tötungsanstalt“ Hadamar ermordet.
Dieses Buch ist ein Beispiel für Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im gesamten damaligen Reichsgebiet. Seine Bedeutung reicht deshalb weit über Lippe hinaus. Heinrich Bax forscht seit vielen Jahren zu Willkür und Gewalt der NS-Machthaber und ihrer Getreuen im Land Lippe.
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Vom »Volkskörper« zum Individuum: Das Bundesministerium für Gesundheitswesen nach dem Nationalsozialismus
von Lutz Kreller und Franziska Kuschel (Autoren)
Verlag: Wallstein
Erscheinungjahr: 2022
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe: 368 S., 76 Abb., geb.
ISBN: 978-3835352018
Zum Inhalt:
Im Herbst 1961 – zwölf Jahre nach Entstehung der Bundesrepublik – wurde das Bundesministerium für Gesundheitswesen (BMGes) gegründet. Lutz Kreller und Franziska Kuschel untersuchen erstmals auf breiter Quellenbasis die Geschichte dieses »verspäteten« bundesdeutschen Gesundheitsressorts von den Anfängen bis Mitte der 1970er Jahre.
Welche Rolle spielte dabei die Hypothek der Medizinverbrechen des Nationalsozialismus? Welche Faktoren bestimmten die Neuausrichtung der Bonner Gesundheitspolitik? Wie gestaltete sich der Entwicklungsprozess einer Gesundheitspolitik unter den Bedingungen der liberal-parlamentarischen Demokratie?
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